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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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dünnen Zigarillo selber aus der Folie schälen. Seit einigen Jahren ließ Winter sich seine Corps extra aus Brüssel kommen, da er offenbar der Letzte in der Stadt war, der die Marke rauchte. Das verlieh ihm eine Exklusivität, die er eigentlich nicht verdiente.
    Er stand auf dem Balkon und sog den Rauch ein, blies ihn aus, ließ ihn sich mit den anderen Düften mischen. Unten kreiste ein Stadtjeep auf der Suche nach einem Parkplatz, oder eigentlich nach zwei Parkplätzen. Winter erspähte blonde Haare auf dem Fahrersitz. Eine Frau hielt Ausschau nach einem Parkplatz. Sie steckte den Kopf durch das heruntergelassene Fenster. Der Chrysler ähnelte einem Panzerwagen. Traktorenräder. Genau das, was man hier in der Stadt brauchte. Stadtjeeps. Smart for one, dumb for all, wie sein schottischer Kollege Steve MacDonald einmal gesagt hatte. Gut für einen, bekloppt für alle.
    In der Wohnung klingelte das Telefon. Er legte den halb gerauchten Zigarillo in den Aschenbecher auf dem Balkontisch und ging hinein.
    »Ich hab’s auf gut Glück versucht, ob du schon zu Hause bist«, sagte sie.
    »Ich bin vor einer Viertelstunde gekommen.«
    »Hast du auf dem Balkon gestanden und geraucht, als es klingelte?«
    »Nein.«
    »Du lügst.«
    »Ja.«
    »Leben die Pflanzen in unserer Wohnung noch?«
    »Als Erstes hab ich Sauerstoff zu ihnen hereingelassen.«
    »Ist es warm?«
    »Rekordhitze.«
    »Dann ist es hier wie dort.«
    »Hier riecht es nach Herbst«, sagte er, »frühmorgens und spät am Abend.«
    »Ich vermisse das.«
    »Es wird noch mehr danach riechen, wenn ihr nach Hause kommt.«
    »Apropos, ich war übrigens in der Klinik«, sagte Angela.
    »Und?«
    »Alles klar.«
    »Ab wann?«
    »Ersten Dezember, vielleicht bis zum ersten Mai.«
    »Vielleicht?«
    »Sie haben es offen gelassen, Erik, sie haben ein Jahr vorgeschlagen. Aber das wollen wir doch nicht?«
    »Nein.«
    »Die Frage ist, was wir überhaupt wollen. Ist es wirklich eine gute Idee?«
    »Ja.«
    »Ist das alles, was du dazu sagen kannst?«
    »Ich hab schon genug Enthusiasmus gezeigt, Angela. Es ist eine gute Idee. Dezember bis Mai in einem milden Klima zu verbringen, das ist eine verdammt gute Idee. Das ist die Zeit, in der es eine verdammt schlechte Idee ist, in Göteborg zu wohnen.«
    »Dabei bist du doch immer ein Lokalpatriot gewesen.«
    »Nicht, wenn es um das Winterwetter in Göteborg geht.«
    »Da geb ich dir Recht.«
    »Wenn du so alt bist wie ich, dann wirst du mir noch mehr Recht geben, Angela. Das Wetter geht geradewegs in die Beine, der Wind, der Regen. Mit den Jahren wird es immer schlimmer.«
    »Das Ganze dreht sich also nur ums Wetter?«
    Nein. Nicht nur um das Wetter. Auch um das Leben. Er würde mehr als einen Monat Urlaub benötigen, um Abstand zwischen seiner Arbeit und seinem Leben zu schaffen. Es waren harte Jahre gewesen, lange Jahre. Jetzt war sein Leben auch seine Arbeit, ein Leben, das er gewählt hatte, und eine Arbeit, die er gewählt hatte. Er opferte zu viel, das wusste er. Smart for all, dumb for one. Er war Diener der Allgemeinheit, aber sich selbst und seiner Familie tat er keinen Dienst. Er wollte es so, aber für sein Leben war es zu viel. So würde es immer sein, auch wenn und falls er zurückkam, nachdem er sich ein halbes Jahr in einem anderen Land aufgehalten hatte. Er würde sich nicht um hundertachtzig Grad drehen. Aber unter Umständen würde es ihm helfen, alles etwas ruhiger anzugehen. Er war gespannt, gespannt darauf, wie er dann sein würde. Wie er denken würde. Vielleicht würde er noch klarer denken. Vielleicht würde er schlechter, unschärfer denken. Nein. Vielleicht würde sich seine Phantasie verändern. Er glaubte, sie würde sich vertiefen und vergrößern. Er würde weiter sehen können.
    »Es geht um viel mehr«, antwortete er. »Das weißt du, Angela.«
    »Ich weiß.«
    »Was sagst du also dazu? Du bist diejenige, die arbeiten gehen wird.«
    »Ich werde so oder so arbeiten gehen.«
    »Was sagst du also dazu? Du bist doch in der Klinik gewesen.«
    »Bekommst du denn frei, Erik?«
    »Du beantwortest eine Frage mit einer Frage. Aber sicher, ich kann mir freinehmen. Ich hab schon mit Birgersson gesprochen.«
    »Hat er dich nicht gleich rausgeschmissen?«
    »Birgersson ist milder geworden. Es ist sein letztes Jahr. Er ist wie der Vater geworden, der er nie gewesen ist.«
    »Was bedeutet das?«
    »Er fängt an, sich um uns zu kümmern.«
    »Deshalb gibt er dir also ein halbes Jahr frei?«
    »Er habe es selbst vorschlagen

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