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Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
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Gast zu Gesicht bekommt, bevor er beim Hans nicht eine saftige Anzahlung für ein Hochzeitsmenü »mit frischen Zutaten aus der Region« geleistet hat. Ich stelle meine Styroporbox auf drei übereinandergestapelte Zehn-Liter-Eimer Kartoffelsalat, von dem ich zuverlässig weiß, dass er aus der Metro ist und nicht mehr als sieben neunundneunzig pro Eimer kostet. Der Hans klatscht einen Batzen davon auf den Teller vom gebackenen Renkenfilet und verlangt dann zwölf achtzig dafür. Tut mir einerseits leid, dass er damit den guten Fisch versaut, den ich jeden Morgen aus dem See ziehe, aber andererseits ist damit die Küche beim Zumsler fischmäßig keine ernstzunehmende Konkurrenz, und das kann mir nur recht sein.
    »Spezialpreis? Wieso, ist der Fisch nicht frisch?«
    Der Hans kommt wieder zurückgedampft und ich bereue es sofort, einen Skonto vorgeschlagen zu haben, weil ich ihm ja schlecht sagen kann, dass ich nur mein schlechtes Gewissen beruhigen will wegen dem Wasserschaden auf der Fünfzehn. »Aber nein, der Fisch ist gerade mal zwei Stunden alt. Ein special zum Saisonstart!« Ich dränge mich an dem schwitzenden Zumsler Wirt vorbei, der mir misstrauisch nachschaut, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank. Habe ich auch nicht, mein Geld so zu verschenken. Ich kalkuliere sowieso schon knapp, und der Zumsler Wirt kriegt bereits einen Insulanerrabatt von mir. Der Hans kommt mir nach, so schnell er kann, und keucht:
    »Wenn du den Rudi siehst, sagst ihm, das ist das letzte Mal! Nie erreich ich ihn, wenn ich ihn brauch! Und diese Saupreißn, immer müssens rauchen auf die Zimmer! Grad jetzt, wo ich alles tiptop haben wollt für den neuen Berater!«
    »Berater?«, frage ich und bleibe stehen. Ich glaube, das Wort »Berater« habe ich seit meinem letzten Semester nicht mehr gehört.
    »Ja, ein Unternehmensberater fürs gehobene Foodsegment, der kommt und schaut, was man optimieren kann. Damit mehr hängen bleibt, gell, Kati?«
    Ich weiß nicht, ob am dicken Hans noch mehr hängenbleiben sollte, aber der zwinkert mir verschwörerisch zu, wahrscheinlich weil er sich denkt, dass wir finanziell im selben Boot sitzen. Aber ich will nicht mit dem Hans in einem Boot sitzen, erstens weil das untergehen würde mit uns beiden, und zweitens, weil ich will, dass der Sonnfischer-Fisch weiterhin der am dollsten optimierte ist. Und »gehobenes Foodsegment«? Das hat bisher mit Hansis Küche so viel zu tun wie ein Steckerlfisch mit dem weißen Hai, denn seit Hansis Frau vor zehn Jahren zurück nach Russland abgehauen ist, ist im Hotel einfach nicht mehr sonderlich viel passiert, und auch sie hatte in Küche und Hotel einen eher, nun, einzigartigen Geschmack bewiesen. Irgendetwas zwischen Jodelstil und Plastikramsch, Hauptsache billig.
    »Ist der Koch dieser Berater?«
    »Ah na, der optimiert nur, aber dafür alles«, erzählt der Hans, »wir haben für dieses Jahr schon sechzig Hochzeitsanmeldungen, und der Rudi sagt, mindestens dreißig davon müssen wir absagen, weil sich das nicht ausgeht kapazitätsmäßig, aber das seh ich nicht ein. Lieber hol ich mir einen, der dafür sorgt, dass alles läuft wie geschmiert!«
    »Hm.«
    Ich bin weiter beunruhigt.
    »Und, ist der auch von hier? Aus Berchtesgaden, wie der Rudi?«
    »Nein, der kommt von ganz woanders her. Aus Zürich!«
    »Aus der Schweiz? Komisch. Da wollen doch alle hin zum Arbeiten. Warum kommt der dann zu uns?«
    Hans zuckt mit den Schultern, und ich kann nicht genau sagen warum, aber ich bin augenblicklich beruhigt. Von einem Toblerone und Rösti essenden Fondueexperten kann keine ernsthafte Gefahr für meinen Fischereibetrieb ausgehen, das ist bestimmt ein ganz Gemütlicher.
    »Ich muss los, wir machen heute den Biergarten auf!«, rufe ich noch zum Abschied über meine Schulter, schnappe mir den leeren Leiterwagen und gehe den gleichen Weg zurück wie heute Morgen schon einmal, nur in wesentlich langsamerem Tempo.
    Zu Hause beißt mich ein intensiver Geruch in der Nase, ein Küchenwecker piepst ungehört. Mein Vater hat zwar brav die Zeitschaltuhr gestellt, aber leider die am Herd, und nicht die am neuen Aufbackofen. Und der hat ganze Arbeit geleistet: Was knusprig goldgelbe Semmeln hätten werden sollen, sieht jetzt aus wie Grillkohle. Ich reiße Fenster und Ofentür auf, damit der Rauch abzieht, und rette mich nach draußen, um wenigstens die Renken rechtzeitig aus der Räucherkammer zu holen. Da hängen sie, auf fünf Etagen zusammengeschweißter Metallhaken verteilt:

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