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Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
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doch ein bisschen der Mundwinkel nach unten, und unsere Fersen stoßen aneinander, weil wir beide reflexhaft unsere Füße unter der Bank verstecken – mein Vater seine Strumpfsocken, und ich meine ausgelatschten Turnschuhe. Keiner sagt mehr etwas, nur der Hans pfeift »Resi, i hol di mit’m Traktor ab« vor sich hin.
    Der Neue bricht als Erster das Schweigen. »Und, die Menschen auf der Fraueninsel, das sind sicher rechte Eigenbrötler, oderrr?«, fragt er in meine Richtung. Ich fühle mich sofort angegriffen, aber in meinem Kopf knipst jemand das Licht aus, und mir fällt partout keine Antwort ein. Ich kann mich nicht erinnern, wann bei mir jemals so dermaßen der Strom ausgefallen ist. Gottseidank antwortet mein Vater für mich: »Ein Schmarrn! Wir Insulaner mögen einen jeden. Vorausgesetzt, er gefällt uns!«
    »Ah, sehr einleuchtend.« Der Schweizer nickt, und hat offensichtlich eine Mücke ins Gesicht bekommen, weil sein Mundwinkel so zuckt, als hätte ihn etwas gestochen.
    »Und wann gefällt Ihnen jemand?«
    »Na, wenn wir ihn mögen!«
    Beim Anlegen schaukelt es ziemlich, weil der Hans im Boot herumturnt, und ich merke, dass mir ein wenig schlecht wird, wahrscheinlich wegen meines schon wieder viel zu leeren Magens, und ich steige schnell aus, um beim Anlegen zu helfen. Komisch, diese Mischung aus Aggressivität und Unsicherheit, die mich auf einmal gepackt hat. Ich frage gar nicht, ob ich noch beim Ausladen helfen soll, sondern laufe nach Hause, um meinem Vater Schuhe zu holen. Wieso fühle ich mich eigentlich so urlaubsreif? Und das am Anfang der Saison? Bestimmt hat es etwas damit zu tun, dass ich mich nach ein paar Stunden auf dem Festland immer ein bisschen fühle wie in einer Jeans, die zwickt. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass die nächsten Monate ein paar Überraschungen für mich bereithalten werden, und zwar nicht nur positive. Ich kann nur hoffen, dass dieser neue Strebertyp nicht allzu viel damit zu tun haben wird.

Dem nächsten Morgen merkt man den Frühling schon richtig an. In den Bergen liegt kein Schnee mehr und der See führt so viel Wasser, dass das Ein- und Ausladen aus dem Boot ganz kommod geht, weil der Wasserspiegel so hoch ist. Ich fahre in die Dunkelheit hinein und genieße die Einsamkeit. Ich liebe diese frühen Stunden auf dem See, weil mir dann einfach alles andere total egal ist. Ich habe gestern Abend Bodennetze an der Ostseite des Sees gesetzt, und ich sehe gleich, was der heutige Tag bringen wird: einen Spitzenfang. Und so stehe ich mit hochgekrempelten Ärmeln im Boot und bringe achthundert Renken ums Eck: Fisch aus dem Netz, mit dem Kopf an die Bootkante, Fisch tot, Fisch in den Bottich. Nächster Fisch aus dem Netz. Zack an die Bootkante. In den Bottich. Nächster Fisch aus dem Netz, Kante, zack, tot, Bottich, Netz, zack, tot, Bottich, Netz, zack, tot, Bottich, – zwei Stunden lang, bis der See orange-pink glänzt vom Morgenrot und die Nacht nur noch ein kleines dunkles Wattewölkchen über dem Feldwieser Ufer ist.
    An so einem Tag denkt man nicht mehr an Urlaub, da denkt man nur noch, wie schön es daheim ist, und deshalb liefert die staatlich geprüfte Fischwirtin Katharina Lochbichler die Hälfte ihrer prima Chiemseerenken äußerst gut gelaunt an den Amsler Wirt.
    Zoran steckt wie immer von oben bis unten in Tracht und klemmt die kroatischen Pratzen hinter seine bestickten Hosenträger.
    »Ich hab gehört, du warst in Rosenheim? Und hast mir keinen Mann mitgebracht für meine Molly?«
    »Wie kommst du darauf, dass ich einen Mann für deine Tochter wüsste? Und wer weiß denn eigentlich, ob die Molly überhaupt so dringend verheiratet werden möchte?«
    In den Augen des besorgten Schweinsbratenkönigs ist kein Funke Humor zu entdecken, die Angelegenheit ist ihm zu ernst.
    »Molly ist bald fünfundzwanzig! Wie schaut das aus beim nächsten Inselfest [22] , wenn meine Tochter als Einzige allein ist?«
    »Na und? Was sagt denn die Mama von der Molly dazu?«
    »Die hat da nichts zu sagen! Und es kann nicht sein, dass ihr Insulaner uns da nicht mehr unterstützt! Und du, du bist auch so ein Fall, rennst immer noch unverheiratet herum, ich verstehe nicht, wie dein Vater da einfach nur zuschaut!«
    Das Angenehme an dem Verhältnis zwischen meinem Vater und mir ist in der Tat, dass mein Vater eigentlich nie was zu meinen privaten Angelegenheiten sagt. Wie auch. Wenn ich so darüber nachdenke, hab ich eh keine privaten Angelegenheiten, außer meinen kleinen

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