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Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
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gleichermaßen wackeln, seufzt dann zufrieden und legt den Rückwärtsgang ein.
    »Pack ma’s!«
    »Also, pfiadi, Kati!«, schreit mir Michi noch hinterher und winkt. Er sieht total lächerlich aus mit seiner neuen Frisur, den blöden Sandalen und den viel zu engen Outdoorklamotten, und ich drehe mich einfach um und ärgere mich, dass ich immer noch diese kitschige Rose in der Hand halte.
    Vom Gesicht des Neuankömmlings ist außer akkurat geschnittenen dunklen Haaren und Sonnenbrille nicht viel zu sehen, er starrt total ungerührt nach vorne auf die größer werdende Insel und lässt sich prima von der Seite betrachten. Der Typ ist jedenfalls ziemlich flach, sehr viel flacher wahrscheinlich als die Gegend, aus der er kommt. Also, es steht ihm schon eine Nase aus dem Gesicht, und die ist noch nicht einmal ziemlich klein, und Kinn und Stirn sind auch ziemlich präsent, aber sein Körper ist irgendwie sehr platt. Bei den Männern, mit denen ich sonst zu tun habe, sind oft genauso viele Rundungen involviert wie bei mir. Ab dreißig aufwärts, bei den früh Verheirateten auch eher, setzt sich bei den Jungs hier sowieso eine Hauptrundung durch, die noch jeden ereilt hat, genannt Bierkugel, Knödlfriedhof, Weißwurschtsarg, von ihren Trägern mit Gleichmut oder Stolz vor sich hergeschoben. Aber der Neue ist 3-D-mäßig quasi rundungsfrei. Seine Schultern allerdings müssen ziemlich breit sein, denn da haben wir leichten Körperkontakt, am Hintern jedoch nicht, obwohl meiner eindeutig ein ganzes Stück seines Sitzpolsters vereinnahmt.
    Mein Vater beobachtet fröhlich das Geschehen, und dann beugt er sich vor und haut dem Schweizer aufs Knie.
    »Schee, ha?«, sagt er und weist nach vorne, auf die rasant größer werdende Insel, denn die Strecke Festland-Insel schafft das Boot vom Hans in noch nicht einmal zwei Minuten. Der Schweizer blickt weiter ungerührt nach vorne.
    »Sicher«, sagt er dann.
    »Und der See!« Mein Vater lässt nicht locker. »Der Chiemsee, das bayerische Meer! Schee, gellns?«
    Langsam dreht der Schweizer den Kopf zur Seite, schaut links aus dem Fenster, schaut rechts aus dem Fenster und antwortet bedächtig: »Sicher. Aber recht klein.«
    Dann schaut er wieder nach vorne.
    Mein Vater zieht daraufhin den nächsten Trumpf aus dem Ärmel.
    »Schaungs, da, die Kampenwand! Wie finden’S jetzt die?«
    »Schön. Aber es gibt höhere Berge.«
    Das klingt gelinde gesagt nicht danach, als würde er die Kampenwand als einen richtigen Berg durchgehen lassen, und mein Vater ist ein bisschen perplex. Ich auch, weil wir es nicht gewohnt sind, dass einer hier ankommt, dem der See zu klein und die Berge zu niedrig sind, und ich freue mich schon, weil mein Vater mit verletztem Insulanerstolz diesem Schlechtmacher sicher gleich den hochmütigen Kopf zurechtrücken wird. Denn auf die grüne Insel zuzufahren, mit erhobenem Bug, und zu wissen, da wird man jetzt gleich aussteigen und herumlaufen, das macht sogar mich noch glücklich, obwohl ich hier aufgewachsen bin.
    Aber mein Vater lächelt freundlich und hat offensichtlich so gute Laune, dass er gar nicht aufhören kann, unsere Insel und die Leute hier anzupreisen. Er mustert den Schweizer nur ein wenig verwundert. Bei dem sitzt alles tadellos, da kann man nichts sagen. Mein Vater beugt sich noch ein Stück weiter vor.
    »Scheene Schuah!«, sagt er dann anerkennend. »Handarbeit, des siegi glei!«
    Ich muss ihn nachher unbedingt fragen, ob sie ihm im Krankenhaus bewusstseinsverändernde Schmerztabletten zugesteckt haben, oder warum ist der alte Boni heute so unerschütterlich guter Stimmung?
    Jetzt kommt ein wenig Leben in den Neuen, er streckt einen Fuß mit dem festen, aber nicht klobigen Schuh aus, knöchelhoch, braunes Leder, Profilsohle. Dass die Rahmennaht dieses Schuhs nicht geklebt, sondern genäht ist, das sehe sogar ich. Die müssen eine gute Stange Geld gekostet haben, viele Schweizer Fränklis, und zwar vor nicht allzu langer Zeit, so brandneu, wie diese Boots aussehen. Klar, denke ich mit Genugtuung, der will halt doch einen guten Eindruck machen, das ist ein Streber!
    »Vielen Dank. Dieser Stiefel ist von meinem Großvater.« Großvattr , besser gesagt, denn wenn man genau hinhört, bemerkt man ein leichtes Chhh und RRR in seinen Endungen.
    »Auch mein Vater hat den schon getragen«, erklärt der Schweizer weiter und stellt seinen Fuß wieder hin. Vom Großvater? Und dann sieht dieser Schuh aus, als wäre er frisch aus dem Karton? Jetzt fällt meinem Vater

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