Zipfelklatscher
gell? Dann komm ich gleich mit und hol meine Kostüme ab.«
Oh mei. Das auch noch. Die Kostüme sind mir nämlich erledigungsmäßig ein bisserl durchgerutscht.
»Weißt du zufällig, ob die Klosterküche Renken brauchen kann?«
Schwester Sebastiana ist umringt von einer Horde Italienern, die sie, anscheinend mit himmlischer Rückendeckung, mit Nopi aus Probierstamperln abfüllt, bis die Touristen mit ihren Einkäufen beseelt Richtung Hauptsteg ziehen.
»Wer hat diese armen Kreaturen getötet?« Gorvinder sitzt sehr aufrecht auf der kleinen hölzernen Bank neben dem Eingang und deutet auf meinen Leiterwagen.
»Ich natürlich, wer sonst?«, frage ich leicht verwundert. »Das ist mein Beruf!«
Gorvinder sitzt so aufrecht, als würde ihn ein unsichtbarer Faden am höchsten Punkt seines Scheitels nach oben ziehen, und seine Stirnfalten sind vor lauter Empörung glatt wie ein Babypo.
»Wie viele Fische tötest du jeden Tag?«
Mir schwant, welche Wendung das Gespräch nehmen wird, und so untertreibe ich mal lieber.
»Fünfzig. Höchstens.«
»Die Katharina macht das für ihren Vater«, mischt sich jetzt Schwester Sebastiana ein, »die hat ihre Karriere an den Nagel gehängt und ist nach der Uni noch einmal in die Lehre gegangen, damit sie den Betrieb übernehmen kann. Sie ist eine Gute!«
Gorvinder sieht mich trotzdem an, als würde er eine Wiedergeburt als Wimperntierchen für eine noch zu hohe Existenzform für mich halten, und ich gebe die Idee auf, in seiner Gegenwart tote Tiere an den Mann oder an die Klosterfrau zu bringen.
»Was hast du gesagt, als du deinen ersten Fisch ermordet hast?«, fragt er streng.
»Zu dem Fisch? Pfiadi, servus und goodbye«, erzähle ich wahrheitsgemäß. »Aber es ist mir nicht leicht gefallen.«
Das hat doch bis jetzt immer der Papa gemacht, ich kann das nicht, habe ich in der Tat gedacht, als ich als einzige Frau im Ausbildungsabschnitt »Schlachten und Zerlegen« meine erste Forelle und meinen ersten Hecht in die ewigen Jagdgründe befördern sollte. Aber die Schulungsforelle machte netterweise keinen Mucks und verschied wie gewünscht schnell und hoffentlich schmerzlos. Und der Hecht, der mir mit seiner entenschnabeligen Gangstervisage sowieso total unsympathisch war, flappte ein bisschen herum und gab dann Ruhe. Und am Ende des Tages war ich die Einzige, deren Metzgergummistiefel noch weiß waren, so sauber hatte ich gearbeitet, und der Ausbilder lobte mich ein Naturtalent.
»Ist hier geöffnet?«, höre ich jetzt eine männliche Stimme. Um mein demoliertes Karma ein wenig zu polieren, rufe ich hilfsbereit die Gewölbestufen nach oben »Ja, jeden Tag bis vier«, und schicke mich an zu Gehen, um Schwester Sebastiana Raum für ihre neue Kundschaft zu lassen. Allerdings kann ich meinen Leiterwagen nicht weiterschieben, denn der wird gerade blockiert. Besser gesagt – es wird gerade etwas daran angekettet. »Entschuldigung, das ist mein Wagen«, sage ich zu dem Touri-Rücken, der in einer dieser teuren Softshelljacken mit verschweißten Nähten steckt, und rucke an meiner Deichsel. »Auf der Fraueninsel müssen Sie außerdem Ihr Fahrrad nicht absperren.«
Und eigentlich auch nicht benützen, denn warum sollte man auf einer Insel, die man zu Fuß in elfeinhalb Minuten umrunden kann, eine Radltour machen? Das ist doch total lächerlich!
»Dieses Velo muss man überall absperren«, kommt es zurück. Das ist kein Touri. Das ist der neue Geschäftsführer vom Zumsler Hans, und Fahrrad ist eine zu ordinäre Bezeichnung für das heuschreckenartige High-Tech-Gerät, das jetzt wieder abgekettet wird. Das also war in der großen gelben Tasche. Und als der Academy-Schweizer sich aufrichtet, merke ich, dass ich immer noch beleidigt bin, weil er gestern im Boot die Schönheit meiner Heimat nicht gebührend bewundert hat. Ich sollte die Gelegenheit nutzen und ihm zeigen, wo der Hammer hängt und dass ich hier die älteren Rechte habe. Weil er nämlich sicher keine Ahnung davon hat, wie es hier so läuft.
»Ist denn der Hansi später da? Ich wollte nämlich die Liefermengen für den Sommer mit ihm abstimmen.« Und ihn dazu überreden, mir in Zukunft die doppelte Menge abzunehmen, ergänze ich in Gedanken, schließlich muss ich den Wegfall vom Amsler Wirt irgendwie kompensieren. Der neue Hotelberater mustert mich von Kopf bis Fuß, und ich tappe ein bisschen mit dem Gummistiefel auf dem Boden, bis er endlich wieder was sagt.
»Der Herr Leutheuser ist heute im Haus, aber es wäre
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