Zipfelklatscher
Kapitänslaufbahn?«
»Du, die von der Schifffahrt, die haben sich doch nie festgelegt. Immer nur blabla, und dann doch wieder nur Stegwart. Und jetzt bettelns natürlich recht, aber ned mit mir.«
»Verstehe.« Ich bin mir allerdings auch nicht sicher, ob sie ihn mit der Frisur überhaupt zurücknehmen würden. »Und jetzt wirst du Gleitschirmlehrer?«
»Gleitschirmlehrer? Ah wo!«
Pause, denn Michi schert für ein ziemlich riskantes Überholmänover mit quietschenden Reifen nach rechts aus, auf der viel zu schmalen Straße.
»Ich werd natürlich auch jederzeit gliden, aber hauptsächlich werd ich stellvertretender Geschäftsführer.«
Der Sprinter wackelt leicht, als der Michi sich knapp vor einem entgegenkommenden Traktor wieder auf die rechte Spur schlängelt. Die Schafwaschener Bucht ist eine verträumte Ecke, ein Seebusen sozusagen, und in der letzten Abendsonne glänzt der Schilfgürtel am Ufer wie ein goldener Pinselstrich. Ich schau aus dem Fenster, die Rose quer über meine Knie gelegt.
»Gestern noch Stegwart, ab morgen Vize-Geschäftsführer. Glückwunsch! Ich könnte nicht von heute auf morgen den Beruf wechseln.«
»Gehst mit mir feiern? Wir bringen deinen Vater rüber, und wir zwei gehen gleich ins Ruderboot, auf einen Neger [20] !«
Diese unerwartete Frage löst in mir eine so heftige Abwehrreaktion aus, dass ich die Rose packe und mich dabei saumäßig steche. Der Michi ist und bleibt einfach ein ziemlicher Merci [21] , aber anscheinend sind das genau die Führungsqualitäten, die in einem Outdoorcenter gefordert sind.
»Michi, das geht nicht«, sage ich mit Bestimmtheit, »dafür ist es mir heute schon ein bisserl zu spät, ich muss ja morgen um vier raus.«
»Um vier, echt? So früh? Und am Freitag?«
»Am Freitag genauso wie am Wochenende. Jetzt ist doch Saison!«
Mein Vater dreht sich nach mir um.
»Also ich bin mit deiner Mama an einem jeden Wochenend zum Oberwirt nach Chieming auffi, wurscht was war am nächsten Tag.«
»Ja, und? Wie geht es eigentlich deinem Zeh? Tut’s sehr weh?«, verbitte ich mir die Einmischung in mein Privatleben, und mein Vater dreht sich wieder nach vorn, und sagt nichts zu seinem Zehnagel, sondern nickt nur dem Michi zu: »Werd scho!«
Der Michi ist immer noch geschockt, auch wenn er doch eigentlich wissen müsste, wann die Fischer mit ihren Motorbooten rausfahren.
»Wirklich, um vier? Jeden Tag?«
Ich weiß nicht, warum er das jetzt so schlimm findet. Schließlich will er ja nicht Fischer werden, sondern Schneizlreuther Beinahe-Chef, und sollte sich erstmal über seinen neuen Job freuen, und zwar mit jemand anderem als mir, denn ich habe keine Zeit für so was. Und vor allem nicht mit dem Michi, und wenn mein Vater das gut findet, dann schon gleich nicht. Die restlichen fünf Minuten Fahrt verbringen wir in einem unbehaglichen Schweigen, und ich verpasse sogar den Moment, über den ich mich sonst immer freue, wenn man nämlich auf dem kleinen Hügel vor Gstadt die Fraueninsel von der Straße aus das erste Mal sieht.
»Ich geh dann halt gleich mit dem Janni ins Ruderboot, ich bring dir die Sachen vom Großmarkt später mit. Bist mir nicht bös, oder?«, fragt der Michi, als er uns an der Anlegestelle der Motorboote rauslässt. »Der Hansi nimmt euch bestimmt mit zur Insel.«
Stimmt, der rot lackierte Pfeil, der gerade mit hoch erhobenem Bug auf den Anlegesteg der Insulaner zurauscht, ist das übermotorisierte Schiff vom Zumsler Hans. Zweihundert PS, damit das Boot trotz der Leibesfülle des Kapitäns überhaupt ins Gleiten kommt. Noch bevor es an der Hafenmauer ganz zum Stehen gekommen ist, streckt der Hans sich, so gut er kann, um die Paletten, die anscheinend eine Lieferung für ihn sind, aufs Schiff zu ziehen. Ich reiche ihm zwei gelbe Kanister mit der vielversprechenden Aufschrift »Flüssigei« und frage pro forma: »Nimmst uns mit?«
»Freili! Ich muss nur noch auf wen warten!«
Ich will jetzt den Michi auch nicht einfach so gehen lassen, immerhin hat er uns abgeholt. Und mir eine Rose mitgebracht. Also frage ich noch höflichkeitshalber: »Wer hat dir eigentlich die Haare geschnitten?«
»Die Molly«, sagt er stolz und lässt den Ellenbogen meines Vaters wieder los, weil der sich beim Einsteigen ins Boot nicht helfen lassen will. »Die hat mich als Model für die Berufsschule gebucht!«
Für die Wirtstochter Molly scheint die Jagd nach Frisurenmodels ähnlich unglücklich zu laufen zu wie die Jagd nach einem Ehemann. Ich steige meinem
Weitere Kostenlose Bücher