Zipfelklatscher
besser, wenn Sie sich vorher einen Termin geben lassen, die Köche und er sind heute in einer Schulung. Und wenn Sie einer unserer Zulieferer sind, dann …«, wieder dieser Blick, den ich nicht einschätzen kann, »… dann werde ich demnächst bei Ihnen vorbeischauen, denn wir werden im Hotel ein Qualitätsmanagement implementieren, und da sind natürlich auch unsere Lieferanten mit eingeschlossen. Oderrr?«
Implementieren? Auf der Fraueninsel etwas implementieren? In Hansis Hotel? Ich hatte total recht: Der Typ ist hundertprozentig ein Powerpointer, und ein Streber obendrein, der tut mir jetzt schon leid. Fachidioten kommen hier nicht weit. Vor allem nicht, wenn sie zu allen Leuten so unverschämt sind wie zu mir. Ich mir einen Termin beim Hansi geben lassen! Aber in Anbetracht der Tatsache, dass der Morgen für mich bisher nicht so sonnenscheinmäßig gelaufen ist, nicke ich gönnerhaft.
»Aber sicher. Und übrigens ist das Fahrradfahren auf der Insel verboten.«
Danach will ich sofort abschieben, damit ich auf jeden Fall das letzte Wort habe. Als ich mich, kurz, wirklich nur ganz kurz, noch einmal umdrehe, sehe ich, wie Schwester Sebastiana in der Ladentür steht und mit einem gar nicht engelsgleichen Lächeln zwischen dem Schweizer und mir hin und her guckt. Der kniet immer noch vor seinem Rad, das Schloss in der Hand, sein Gesichtsausdruck so unergründlich wie der Chiemsee im Novembernebel. Wer weiß, was der noch alles im Schilde führt? Angesäuert drehe ich mich wieder nach vorne, schiebe meinen Karren nach Hause und nehme mir vor, meine Schwester anzurufen, um nach dem morgendlichen Panoptikum an Inselbewohnern mal wieder mit jemand Normalem zu reden.
»Mode und Kültür, Redaktion Mimi , mein Name ist Über, was kann isch für Sie tun?«
»Oh«, sage ich verdattert, »hier ist die Ka…, hier ist die Frau Lochbichler, ich wollte eigentlich meine Schwester …«
»Die Frau Lochbischlär ist im Meeting, kann sie Sie … Moment!«
Geraschel am Telefon, dann: »Isch stelle Sie dursch!«
»Lochbichler?«
»Hast du einen neuen Kollegen aus Frankreich?«, frage ich Fränzi verwundert.
»Nein, das ist nur mein neuer Assistent, der Jürgen Huber, der war vorher bei der Vogue und da müssen alle anscheinend so tun, als wären sie aus Paris.«
Für meine Schwester ist das wohl nichts Besonderes, der Vogue einen Sekretär abgeworben zu haben. Jedenfalls bin ich immer noch so sauer, dass ich finde, dass jetzt erst einmal ich an der Reihe bin mit Neuigkeiten.
»Ich habe heute Morgen einen meiner Kunden verloren, nämlich das ›Wirtshaus am See‹! Der Zoran kommt nicht damit klar, dass ich ihn nicht exklusiv beliefert habe, und deshalb hat er mich rausgeschmissen! Dann labert mich die Emerenz voll, dieser Gorvinder gibt mir das Gefühl, dass ich maximal als Schwebeteilchen wiedergeboren werde, und dann kommt auch noch dieser arrogante Kerl mit seinen Schweizer Managementmanieren an und versaut mir den Tag endgültig. Stell dir vor, der bleibt jetzt hier, im Hotel oben, mindestens einen Sommer lang!«
»Na und, was kann er dir denn? Außerdem dachte ich, dieser Berater ist ein entspannter Bergmensch?«
»Null! Entspannt sieht der schon mal nicht aus. Klamotten teuer und alles picobello, und dann aber handgenähte Schuhe vom Großvater. Bei dem passt sowieso nichts zusammen, der ganze Kerl ist total komisch.«
»Wie, komisch?«
»Die Augen sind knallblau, aber dann hat der total buschige Augenbrauen und dunkle Haare. Und dann diese Figur: voll lang und flach!«
»Muss bei dir denn jeder gleich ’ne Fettschürze vor sich herschieben?«
»Nein! Aber er ist trotzdem komisch. Kantiges Gesicht, dunkle Haare und dann diese blauen Augen!«
»Klingt wie Jude Law als Hochgebirgsmodell.«
»Höchstens wie Jude Law mit sehr viel mehr Haaren. Dichte dunkle Haare.«
»Dichte dunkle Haare? George Clooney vielleicht?«
»Naja, vielleicht auch ein bisschen wie George Clooney. Aber viel jünger!«, rege ich mich auf. »Eine Promenadenmischung!«
»Wie George Clooney, aber jünger. Wie Jude Law, aber mit mehr Haaren. Hmmmm«, wiederholt meine Schwester so langsam, als würde sie gerade einen Schokotrüffel auf der Zunge zergehen lassen. Es knackst kurz in der Leitung, und Lady Gaga singt mir was. Bevor ich mich aber noch darüber aufregen kann, dass meine Schwester mich in die Warteschleife gelegt hat, ist sie schon wieder dran.
»Jürgen findet das übrigens auch eine sehr interessante Mischung. Er sagt,
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