Zipfelklatscher
nicht …, ergänze ich in Gedanken, aber diese Möglichkeit kommt im neuen Michi-Mike-Mike-Universum offensichtlich nicht vor. Will ich mit ihm gehen? Mit meinem alten Schulfreund? Gute Frage. Ich bin saufroh, als der Kellner neben mir steht und fragt: »Haben die Herrschaften schon gewählt? Wir haben Fischwochen, sehr zu empfehlen ist heute die Maischolle, dazu ein schöner Sauvignon!«
Ich bin so perplex, dass ich nicke, obwohl ich eigentlich alles essen will, nur keinen fremden Fisch, und mir aus Wein, vor allem wenn er schön ist, auch nicht besonders viel mache. Ernst machen – mit dem Michi? Mit dem Mike?
»Denkst du wirklich, dass alle Männer um dich herum Zipfelklatscher sind? Weißt du nicht mehr, dass ich dir schon mal aus der Patsche geholfen habe? In der Schule? Ich musste zwei Stunden Eckerl stehen wegen dir!«
»Ja, ich weiß schon, der Fisch unterm Pult«, gebe ich zu, »aber ich denk halt immer noch, wir sind Kumpel. Und nach der Schule haben wir uns doch eh ein bisserl auseinandergelebt.«
»Aber das war nicht meine Absicht, Kati. Ich habe immer von dir geträumt. Jetzt geh halt her da!«
Und er ruckt an mir herum, und ehe ich mich versehe, sitze ich auf seinem Schoß. Zum ersten Mal bin ich richtig froh, dass er in Gefühlsdingen nicht gerade ein Sherlock ist. Er gockelt nur furchtbar herum, und presst mir die Hüfte.
»Der Boni wär übrigens einverstanden!«
»Wie, einverstanden?«
»Ja, dass wir zwei z’sammkommen. Ich hab nämlich schon mit ihm geredet.«
Der scheint das wirklich ernst zu meinen. Und Michi-Mike war tatsächlich derjenige, der nach dem Beitrag noch zu mir gehalten und jeden Abend vorbeigeschaut hat. Der mir den Zaun gerichtet hat und der mir neuerdings jeden Freitag die Tonne rüberfährt. Der mit der Emerenz gut kann und auch mit meinem Vater. Der von der Insel ist und der trotzdem seinen Weg macht mit etwas ganz anderem. Ich schiebe trotzdem seine Hand weg. Ein Mal. Beim zweiten Mal bekomme ich ein schlechtes Gewissen, dass ich immer wieder in Gedanken bei dem Schweizer bin, und wie er so gar nicht streberhaft vor mir gestanden hat mit meiner Bierflasche an den Lippen. Und ich lasse meine Hand in der vom Michi und drücke sogar ein bisschen zurück, weil ich finde, dass Michi-Mike wirklich wahnsinnig hilfsbereit war in der letzten Zeit und es nicht verdient hat, dass ich in Gedanken woanders bin, wenn er mich schon ins feinste Lokal am ganzen Chiemseeufer eingeladen hat.
»Weißt was, Michi? Mike.«
Ich will wirklich überlegen, aber Kopf, Herz und Bauch richten ihre Aufmerksamkeit gleichermaßen auf den Teller mit der Maischolle, der gerade vor mir hingestellt wird.
»Jetzt muss ich erst einmal was essen. Und dann schauen wir weiter. Ich mag dich schon, und ich bin wirklich froh, dass du mir so viel geholfen hast in der letzten Zeit. Aber ich brauch noch ein bisserl, glaube ich.«
»Ist gut«, sagt Michi-Mike, und ruft trotzdem laut: »Mir brauchen einen Schampus! Bedienung!«
Die ganzen feinen Landräte und Pferdebesitzerinnen, die hier so verkehren, drehen sich zu uns her. Meinen Versuch, Zeit zu gewinnen, empfindet er offensichtlich überhaupt nicht als Niederlage.
»Mach dir keinen Stress. Bist halt noch nicht reif für eine Beziehung. Aber sobald du reif bist, bin ich da. Und mein großer Zeh sagt mir, dass bald so weit sein wird!«
Sein großer Zeh? Na sauber.
Als Erstes höre ich das Telefon. Und als es endlich aufhört zu klingeln, den Regen. Wenn er so wie heute Morgen direkt an die dünne Scheibe prasselt, dann muss ziemlich starker Westwind sein. Also immer noch Sauwetter. Dann merke ich, dass ich zwar hören, aber kaum den Kopf bewegen kann. Und die Arme gar nicht. So einen Kater hatte ich noch nie. Der Nebel lichtet sich langsamer als ein Novemberregen über der Kampenwand. Mein Zimmer. Mein Bett. Und langsam dämmert mir, dass mich nicht der Restalkohol so ins Bett presst. Sondern der Michi-Mike, der auf mir liegt wie ein Sandsack.
Ich bekomme eine Hand frei und einen nackten Hintern zu fassen. Ah ja, ich erinnere mich. Da war was. Oder wenigstens der Versuch davon. Ich versuche mich unter dem schweren Männerkörper hervorzuwinden, Michi-Mikes gegelte Haarspitzen piksen mich in die Backe. Offensichtlich haben die mehr Standvermögen als der Rest vom Kerl.
Irgendwo vibriert mein Handy. Da versucht mich jemand ganz dringend zu erreichen. Michi-Mike schläft ungerührt weiter, als ich ihn zur Seite schubse, was gar nicht so einfach
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