Zipfelklatscher
warst doch immer die, die gesagt hat, dass eine Beziehung nichts für dich ist! Wir sind doch beide so! Du hast den Papa und den Betrieb, ich den Xaver und die Mimi , und wie noch Platz für einen Typen sein soll, das wissen wir doch beide nicht. Aber wenn sich das für dich gerade gut anfühlt, dann mach’s halt.«
»Genau. Dann mach ich’s!«
Kurzes genervtes Schweigen.
»Also, Kati«, bricht meine Schwester nach kurzer Zeit die Stille. »Ich will ja nur, dass es dir gut geht. Aber was machen wir jetzt mit Papa?«
»Keine Ahnung.«
»Ist er da?«
Ich stehe auf und schaue aus dem Küchenfenster.
»Ja, der sitzt draußen und putzt seine neuen Haferlschuhe.«
»Der putzt seine Schuhe? Oh mei. Seit wann macht er denn so was? Gib ihn mir mal, und du gehst wieder zu deinem Michi. Wer weiß, wann du mal wieder in Ruhe einen Morgen mit einem Typen verbringen kannst.«
Im Schlaf sieht Michi-Mike noch haargenau aus wie der ein bisschen zu dicke Lausbub von früher. Vom Oberchecker Mike keine Spur. Ich schau ihm eine Weile beim Schlafen zu und überlege mir, wie das so wäre, wenn ich jetzt jeden Morgen neben ihm aufwachen würde und ob ich mich noch mal schnell dazulegen soll. Aber mein Gefühl enthält sich jeder Meinung, ich bin viel zu unruhig. Wie meine Schwester wohl unseren Papa gerade davon überzeugt, dass er sich in Harlaching unbedingt den Meisenkasten untersuchen lassen soll? Ob ich wirklich einen Anwalt einschalten soll wegen dem Beitrag vom Hubsi, wie der Schweizer mir das geraten hat? Eigentlich könnte ich die freie Woche nutzen, um mich um so etwas zu kümmern, und wenn ich aus München zurück bin, könnte ich David noch mal danach fragen. Das wäre dann zwei Tage vor der geschlossenen Gesellschaft im »Schloss Seeblick«. Verlobungsfeier. Musik. Trachtenverein. Ein kurzer Blick, Michi-Mike schläft. Ich ziehe ihm die Bettdecke über seine nackten Quadratlatschen. Er soll nämlich keine kalten Füße bekommen, mein Jugendfreund oder was er auch immer für mich ist, und außerdem sind diese kalebassenförmigen Großzehen so monsterartig, dass ich mich direkt von ihnen beobachtet fühle. Ich setze mich an meinen Schreibtisch und fahre meinen Computer hoch. Erstens um eine Abwesenheitsnotiz einzurichten, (das dauert länger als erwartet, weil ich das noch nie gemacht habe), und um zweitens in meinen alten E-Mails nach der leidigen Hechtbestellung vom »Hotel zum See« zu suchen, die ich damals abgelehnt habe. Ich brauche sie wegen der E-Mailadresse. Weil ich drittens eine E-Mail an Davidkrug @hotelzumsee.bay schreibe n will. Eine private E-Mail. Betreff: »Immer noch Inselkoller? « Das Schreiben geht mir nicht gut von der Hand, ich beiße mir auf die Unterlippe und denke nach jedem zweiten Wort: Das kannst du unmöglich abschicken. Das traust du dich nie. Dann tippe ich noch: »Bis bald, bussi, Kati.« Bussi? Klick, abgeschickt. Jessasmariaundjosef. Habe ich tatsächlich gerade diese E-Mail abgeschickt?
»Lieber David, ich weiß eine Party im Schloss Seeblick, die was wäre für unsere Zwecke, weil uns da wahrscheinlich keiner kennen wird. Allerdings in Tracht. Melde dich, wenn es dich interessiert wegen Outfit etc.«
Ich atme tief durch und beruhige mich, ich finde, ich habe mich nicht zu sehr aus dem Fenster gelehnt, der Ton ist durchaus sachlich, nicht, dass der meint, ich will mich aufdrängen, damit ich meine Fische wieder an den Mann bringen kann.
Ich beschließe, Michi-Mike noch ein paar Minuten schlafen zu lassen, bevor ich ihn frage, wann er denn morgens immer in Schneizlreuth sein muss, weil er dann sicher sofort wieder zum Mike mutiert. Lieber krame ich meine Reisetasche unter dem Bett hervor, die aus dem dunkelblauen Nylon mit der weißen Aufschrift YACHTCLUB GOLLENSHAUSEN, die vor vielen Jahren einmal bei uns am Damm angeschwemmt worden ist. Kann es wirklich sein, dass ich sie das letzte Mal benutzt habe, als ich zur Fischereiprüfung nach Starnberg gefahren bin? Mann, Lochbichlerin, du bist echt nicht viel herumgekommen in den letzten Jahren. Entsprechend ratlos gucke ich in die leere Tasche und packe dann als Erstes das Buch »Nachhaltige Binnenfischerei« ein, damit ich bei der Fränzi nicht nur in irgendwelchen Mimi s und Madame s blättern muss.
»Du willst wirklich zu deiner Schwester fahren?«
Michi-Mike hat sich im Bett aufgesetzt und sieht noch nicht besonders outdoormäßig aus.
»Na klar, hab ich doch gesagt, gestern. Warum? Hast Angst, dass ich nicht mehr
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