Zipfelklatscher
Welt außerhalb des Fischputzraums anzukommen. Wie war das gerade? Erst mir das Haus verbieten, und dann plötzlich saunett sein und mitkommen wollen? Das ist ein Wunder. Ein verdammtes Wunder.
Michi-Mike steht mit dem Rücken zu mir und zupft sich mit der Hand die Haarspitzen seiner Frisur nach oben, der Molly-Iro hat sich nämlich inzwischen in eine hochdynamische Gelfrisur verwandelt. Als ich ihm auf die Schulter tippe, zuckt er zusammen, er hat wohl gerade ziemlich geträumt.
»Jessas, Kati, ich hab dich gar nicht ghört.«
Er will mir ein Bussi auf die Backe geben und schaut mich dann aber skeptisch an.
»Hast du schon was getrunken? Du hast so rote Flecken im Gesicht.«
»Ach, nur ein Helles grade beim Putzen. Du doch auch?«
»Ja, drüben am Hafen. Aber bloß ein Weißbier.«
»Na also, gleiches Recht für alle«, sage ich und versuche ihn vom Schuppen wegzubekommen, damit er nicht doch noch auf David trifft.
Das Schöne am »Schloss Seeblick« ist, dass man mit dem Boot hinfahren kann, einmal über den Weitsee und dann Prost. Der Romantikfaktor ist heute allerdings so lala – wegen nebligem Regenwetter. Das wird aber wettgemacht durch die Aussicht, einen Abend lang niemandem zu begegnen, der mich komisch von der Seite anschaut, weil nach Hubsis Lügengeschichte alle die Kati Lochbichler für eine üble Nestbeschmutzerin halten. Und dazu kommt noch, dass mein alter Kumpel Michi-Mike heute wirklich ein äußerst galanter Begleiter ist. Hält mir die Tür auf. Fragt mich, ob ich lieber einen Russen [31] oder lieber einen Neger trinken will.
Wir werden an unseren Tisch geführt, und Michi-Mike steht ein bisserl linkisch herum, bis mir der Kellner endlich den Stuhl unter den Po geschoben hat.
»Also Kati«, sagt er als Erstes, »wann kommst jetzt amal mit?«
»Mitkommen«, frage ich irritiert, »wohin genau?«
»Ins Outdoorcenter! Da bring ich dich voll zum Gliden, danach willst nichts anderes mehr machen! Urgeil, echt!«
»Ich weiß nicht, ob diese Gliderei was für mich ist, Michi.«
»Mike, ich bin jetzt der Mike, Kati.«
»Klar«, sage ich, »ich hab mich nur noch nicht richtig dran gewöhnt.«
Ich schiebe meinen Stuhl zurück, das Bier mit David hat mir schon bei der Überfahrt auf die Blase gedrückt, und lasse Michi-Mike erst einmal sitzen mit seinem Russen. Das Damenklo ist so groß wie unser Wohnzimmer zu Hause, im feinen Landhausstil, mit echten Leinenhandtüchern, für jeden Gast ein neues. Ich wasche mir nach dem Pipimachen die Hände, ohne dabei unnötig lang in den Spiegel zu schauen, klemme mir nur die Locken hinter die Ohren, weil sie bei dem feuchten Wetter immer so abstehen und gehe zurück. »Am 29. Juni geschlossene Gesellschaft« steht in schön geschwungener Kreideschrift auf der Stelltafel neben dem Aufgang zum Garten. Geschlossene Gesellschaft? Ich bleibe vor der Tafel stehen, und habe eine Vision. Ich brauche Details! Schnell halte ich einen vom Personal an seinem karierten Hemdsärmel fest und schwindle: »Genau zu dem Termin wollte ich eigentlich meinen Dreißigsten bei Ihnen feiern. Haben Sie nicht genug Platz für zwei Gesellschaften?«
»Moment, ich schau mal nach«, sagt der Kellner brav und kommt mit der Info zurück, dass am neunundzwanzigsten Juni leider das Lokal ausgelastet ist wegen einer Verlobungsfeier, zweihundert Personen mit Blaskapelle vom Trachtenverein.
»Oh schade, Trachtenverein, soso«, meine ich, und überlege, ob David auch eine Verlobungsparty reichen würde als Anlass für ein bisschen inkognito feiern. Denn dass der nach dem Hausverbot plötzlich zu mir kommt und mitfeiern will, finde ich nach wie vor so abgefahren, dass es mir nicht aus dem Kopf geht. Was ist das eigentlich wirklich für einer? Vielleicht ist der ja ganz nett? Hat fast so ausgesehen.
Der Kellner bringt Michi gerade Nachschub und uns die Tageskarten, und zischt mit einem halbgaren Lächeln wieder ab. Michi-Mike ruckelt mit seinem Stuhl einmal halb um den Tisch herum, bis unsere Beine praktisch aneinanderstoßen und fragt mich ohne weitere Einleitung:
»Also Kati, jetzt sagamal: Magst jetzt mit mir gehen oder ned?«
Mir fällt die Kinnlade herunter. Michi-Mike wird klar, dass er ein wenig weiter ausholen muss.
»Spatzl, schau, ich bin jetzt der Mike, nimmer der Michi-Mike.«
»Ja, das hast du schon gesagt.«
»Ja genau, und der Mike, Spatzl, der geht die Sachen anders an als der Michi-Mike, und deswegen frag ich dich jetzt, ob das was wird mit uns zwei.«
Oder
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