Zipfelklatscher
küssen.
»Achtung, Todessporen«, sag ich erst, aber gebe ihm dann doch einen ziemlich gestressten Kuss zurück, denn ich kann saufroh sein, dass Michi-Mike sich mit dem Herrn Koferl so gut gestellt hat. Denn ich habe durchaus verstanden, dass sie mir auch gleich den ganzen Laden hätten zusperren können, nicht wahr.
Die Emerenz winkt mir von Weitem und presst die Hand vor den Mund, während sie sehr zögernd auf unser Haus zugeht.
»Dei Post!«, sagt sie dann schnell, drückt mir ein paar Briefe und ein paar EDEKA-Prospekte in die Hand, und weg ist sie.
»Ist dir schlecht?«, rufe ich ihr nach, aber sie schüttelt den Kopf und deutet auf unser Küchenfenster.
»Nein! Wegen den Todessporen!«, ruft sie und nimmt dann ganz schnell wieder die Hand vor den Mund. Ob sie es war, die bei der Gewerbeaufsicht angerufen hat? Und vor allem – wenn sie das Ergebnis der Kontrolle herumtratscht, kann ich unser »Wir machen Urlaub!«-Schild am Rosenbogen gleich ersetzen durch: »Wegen Todessporen und übler Nachrede geschlossen. Für immer.«
Trotzdem bin ich froh, dass ich den Brief nicht unter ihren Habichtsaugen öffnen muss. Er ist nämlich von der Sparkasse Breitbrunn, und soweit ich das auf den ersten Blick sehe, steht auch da nichts Gutes drin.
»Ist schon wieder was passiert?«
Meine Karriere-Schwester bekommt gerne einen leicht gehetztenTonfall, wenn ich sie zu oft anrufe, aber darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen.
»Also, dass das Haus sofort saniert werden muss, das weißt du. Und ich dachte natürlich, ich kann dafür unseren Kredit aufstocken lassen! Aber jetzt das, pass auf.«
Ich schüttle den Brief mit der freien Hand auf und halte ihn unter die Schreibtischlampe, obwohl draußen heller Tag ist. Ich habe nämlich die Fensterläden geschlossen, um mir nicht immer den leeren Biergarten ansehen zu müssen.
»… Haben wir davon erfahren, dass Ihr Betrieb auf nicht absehbare Zeit geschlossen werden muss. Da wir einhergehend mit dem Wertverlust Ihrer als Sicherheit angegebenen Immobilie feststellen müssen, dass die Rahmenbedingungen für unseren Kreditvertrag nicht mehr gegeben sind, sehen wir uns leider gezwungen, diesen mit sofortiger Wirkung zu kündigen.«
»O nein! Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen!«, sagt meine Schwester, und klingt tatsächlich auch einmal richtig geschockt. »Das heißt, der Wedehopf will …«
»Genau!« Ich schreie fast. »Die Achtzigtausend auf einmal zurück! Und vor allem – ›haben wir davon erfahren‹, ›Wertverlust Ihrer Immobilie‹ –, woher wissen die das alles? So schnell?«
»Also wenn du mich fragst«, sagt meine Schwester langsam, »dann versucht dich da jemand fertigzumachen. Aber wer? Wer macht denn so was?«
»Weiß ich nicht genau. Aber ich find’s raus!«
Ich merke, wie sauer ich bin, und überlege, was jetzt zu tun ist. Das Bett ist ungemacht, seit Michi-Mike bei mir übernachtet hat. Und der Computer ist auf Standby, damit ich jederzeit meine Mails checken kann. Weil ich den Schweizer unbedingt an meinem Doppelleben teilhaben lassen wollte. Dabei hat der sich sowieso nicht mehr gemeldet. Ich kann mich nicht mehr im Geringsten erinnern, was ich mir davon eigentlich versprochen habe. Als hätte ich nichts Besseres zu tun. Zum Beispiel muss ich sehr dringend herausfinden, wer mir da eigentlich das Leben schwer machen will und mich permanent verpetzt und beim Koferl angezeigt hat. Und ich weiß auch schon, wo ich anfange.
Ich finde Zoran am Wirtshaussteg, wo er in seinem Boot herumwerkelt. Ich habe nicht mehr mit ihm gesprochen, seit das Public Viewing bei mir daheim in die Hosen gegangen ist, und mache mir kurz Sorgen, ob er mir vielleicht gleich an den Kragen geht, wenn ich herausfinden will, ob er mit der Sache was zu tun hat.
»Zoran?«, frage ich deshalb vorsichtig, und er stellt den Benzinkanister sofort ab, immerhin nicht wütend, sondern so vorsichtig, dass kein bisschen überschwappt, und richtet sich auf.
»Ja schau her, die Kati. Was gibt’s?«
Er klingt distanziert, aber nicht unfreundlich.
»Mei, geht schon, war schon besser, und dir?«
»Ganz famos«, sagt der Amsler Wirt ein wenig gestelzt, und zieht ein großes kariertes Taschentuch aus der Lederhosentasche, um sich die Finger daran abzuwischen. Er sieht außerordentlich festlich aus, trägt Lederhosen mit Hosenträgern, die die Emerenz sicher in Ekstase versetzen würden, weil sie nämlich mit einem wunderbaren Konterfei unseres Märchenkönigs
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