Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
Vom Netzwerk:
doch gewusst. Bald bin ich Vollwaise. Ich nicke tapfer, laufe dem hellblauen Kittel der Schwester hinterher und wappne mich gegen die schlechten Nachrichten, die mir der Herr Professor gleich überbringen wird. Mich wundert es, dass er meinen Vater mit dazu gebeten hat, denn der sitzt schon vor dem Schreibtisch, zerzaust wie immer, seine iPod-Stöpsel im Ohr und wippt mit dem Fuß.
    Hinter dem Professor klemmt eine Art Hirn-Collage an der Wand, lauter bunte Bilder, und ich weiß, dass das Papas Kopf von innen ist, bevor ich noch das »Lochbichler, Bonifaz « darunter lese. Weil es nämlich so aussieht wie in meinen schlimmsten Träumen. Wie die Farbpalette eines Malers, der Rot, Gelb und Grün ineinander geschmiert hat. Und dann aus einer schwarzen Tube dicke schwarze Batzen darauf gedrückt hat. Die schwarzen Flecken, das ist ganz klar das Böse. Das sind die Löcher, ein Tumor, zersetztes Gewebe, jedenfalls etwas ganz Schlimmes. Oder sind etwa die weißen Flecken das Übel, das meinen Vater dahinraffen wird?
    »… Und insofern wünsche ich Ihnen noch eine gute Heimreise! Wiederschauen!«
    Der Professor ist aufgestanden und wartet darauf, dass ich ihm die ausgestreckte Hand schüttle.
    »Wie, schon fertig?«, frage ich und schaue auf Papa, der von all dem nichts mitbekommen hat und weiter mit dem Fuß wippt, dem Takt nach hört er einen eher getragenen Titel, aus dem Grönemeyer-Unplugged-Album vielleicht.
    »Aber ja. Sie wissen, dass die Kasse die Kosten für den Scan nicht übernimmt, das hatten wir Ihnen ja schon am Telefon gesagt. Wir schicken Ihnen eine Rechnung, aber für eine so gute Nachricht zahlt man das doch gerne, nicht wahr?«
    »Es ist wirklich alles in Ordnung? Und seine Vergesslichkeit?«
    Ich kann es kaum fassen.
    »Wir konnten zwar ein paar Unregelmäßigkeiten in den Hirnströmen des limbischen Systems feststellen, aber die sind völlig unspezifisch. Was auch immer ihrem Vater fehlt, es hat jedenfalls keine organische Ursache. Ihr Vater ist körperlich topfit.«
    Der Herr Professor dirigiert uns langsam, aber beharrlich zur Tür, und draußen kann ich es immer noch nicht fassen.
    »Papa! Das ist ja sensationell!«
    Weil ich mich so freue, falle ich ihm so ungestüm um den Hals, dass er fast in einen riesigen Hydrokultur-Ficus fällt.
    »Oiso nacha. Mir geht’s bärig!«, meint mein Vater und geht mit mir Richtung Ausgang. Unten im Foyer sagt er: »Ich geh nochamal aufs Häusl!«, und ich sehe ihm zu, wie er neben dem Eingang in einer Tür verschwindet. Es ist die Damentoilette.
    Ich habe kurz das Gefühl, als hätte mir einer in den Magen geboxt. Soll ich zurück in die Innere laufen und den Herrn Professor anschreien, dass er sich die bunten Bilder noch einmal ganz genau anschauen soll?
    »Bist du sicher, dass es dir gut geht?«, frage ich meinen Vater, als er zurückkommt, und er haut mir auf die Schulter und sagt: »Logisch, Kati. Wenn wir heimkommen, schau ich zerscht amal zum Laichbecken!«
    Ich widerspreche: »Die Fränzi denkt aber, dass wir eine Woche hierbleiben!«
    »Ja, ja«, sagt mein Papa und zieht sich umständlich den Hosenschlitz zu. »Und zu mir hat’s gesagt, wenn ich zum Doktor geh, dann darf ich da so oft hinfahren, wie ich will, ohne dass du immer so bös schaust!«
    Ich komme nicht dazu, mir eine gesalzene Antwort auf diese Unverschämtheit zu überlegen, denn mein Telefon klingelt, während sich die Tram vor der Klinik quietschend in die Schienen legt. Ich hebe ab, kann aber die Emerenz kaum verstehen: »Was, Gewerbeaufsicht? Ja, klar, kann der Michi-Mike denen aufmachen, wie bitte, hat er schon? Die waren schon da? Und? Was? Wegen gesundheitsschädlichem Schimmel? Um Gottes willen!«

»Nein, Frau Lochbichler, bezüglich der Auflagen kann ich rein gar nichts für Sie tun.«
    Habe ich dafür meinen München-Urlaub abgebrochen, und bin sofort nach Rosenheim in die Behörde gefahren?
    »Unser Haus hat ein, zwei feuchte Wände, das weiß ich, aber Sie haben doch erst letztes Jahr eine Kontrolle gemacht!«
    Der Herr Koferl vom Gewerbeaufsichtsamt schüttelt den Kopf. Er hat ein Klemmbrett vor sich liegen und fährt mit dem Finger ein paar handgeschriebene Notizen entlang.
    »Mei, Frau Lochbichler, aus Feuchtigkeit wird Schimmel. Und Schimmel, wissen’s schon, das ist ein gravierender Hygienemangel. Da sind Sie selbstverständlich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der sofort beseitigt wird. Eigentlich haben Sie ein Mordsmassel gehabt, dass wir ihnen den Laden nicht

Weitere Kostenlose Bücher