Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)
kannte.
Sabrinas
Freundin Marlies erwartete ihn bereits. Sie saß an einem Tisch in der Ecke, und
als sie ihn auf die Terrasse treten sah, machte sie durch Winken auf sich aufmerksam.
Er hatte hin und her überlegt, ob er sie um eine Verabredung bitten sollte, sie
hatten sich lange nicht gesehen. Schließlich hatte er ihre Telefonnummer gegoogelt
und sie am gestrigen Abend noch angerufen.
Nachdem
sie ein paar Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht hatten, sagte sie: »Ich bin genauso
erschüttert wie du. Es ist schrecklich, hoffentlich hat Sabrina nicht allzu lange
leiden müssen.«
Der Kellner
brachte die Schorle, und Florian hatte Zeit, Marlies zu mustern, sie war ganz offensichtlich
noch erhitzt von einem Tennismatch. Im kurzen, weißen Tennisrock saß sie vor ihm,
und ihr sehniger Körper erinnerte Florian daran, dass er sich auch mal wieder die
Zeit nehmen sollte, Sport zu treiben. Schon lange verfolgte er den Plan abzunehmen,
aber es war immer wieder ein mehr oder weniger halbherziger Kampf gegen den Speck,
der sich in den letzten Jahren vor allem am Bauch bei ihm festgesetzt hatte. Immer
wieder erlag er den Verlockungen eines guten Essens und eines guten Weins, und wenn
er ehrlich war, erfüllte das schlechte Gewissen, dass sich in regelmäßigen Abständen
einstellte, mehr oder weniger nur eine Alibifunktion.
»Weißt du,
ob sie abends öfter um den Decksteiner Weiher ging?«, wollte er wissen.
Marlies
schüttelte den Kopf. »Sie gehörte nicht zu den Frauen, die abends gern allein unterwegs
sind.« Sie dachte einen Moment nach, dann sagte sie: »Manchmal ging sie mit Sam
raus, wenn die Kleine bereits schlief. Ist ja bei ihnen quasi um die Ecke, man ist
schnell da. Und eine Kleinigkeit bekommt man im Haus am See immer noch zu
essen, selbst wenn es schon spät ist.«
Florian
drehte sein Glas in der Hand. »Sam soll sie geschlagen haben …«
Marlies
kniff die Augen zusammen. »Ja, das ist wahr. Leider.«
»Weißt du,
was los war zwischen den beiden?«
»Sam war
chronisch eifersüchtig.«
»Auf wen?«
Sie lächelte
gequält. »Auf jeden, den sie länger als zwei Sekunden angeschaut hat.«
Florian
strich sich über das Kinn. Er hatte sich schon wieder nicht rasiert, und die Bartstoppeln
kratzten unter seiner Hand.
»Ich habe
mich oft gefragt, wie sie es in letzter Zeit mit ihm ausgehalten hat«, sagte Marlies.
»Stell dir vor, er hat es fertig gebracht, zu behaupten, ein Freund von ihm habe
sie mit einem anderen Mann in der Stadt gesehen.«
»Und?«
»Es war
eine glatte Lüge. Das hat er sich ausgedacht, um zu testen, wie sie auf die Behauptung
reagiert.«
»Wie bitte?«
Florian war entsetzt.
»Doch, das
hat er getan«, erklärte Marlies. »In seinem kranken Hirn hat er ihr unterstellt,
sie träfe sich mit einem anderen Mann. Er wollte sehen, ob sie sich ertappt fühlte
und ob es vielleicht wahr war.«
»Verrückt.«
Florian schüttelte fassungslos den Kopf.
»Du sagst
es. Sam war nicht immer so, aber seit ungefähr einem halben Jahr verhält er sich,
als würde er neben sich stehen. Als habe ihn irgendjemand verhext.«
Florian
überlegte einen Augenblick. »Hatte sie einen anderen?«
»Nein. Ich
hätte davon gewusst«, sagte Marlies entschieden und fügte hinzu: »Übrigens …« Sie
beugte sich hinunter zu ihrer Tennistasche, die neben ihrem Stuhl stand und nahm
etwas heraus. »… er war auch eifersüchtig auf dich.«
»Auf mich?«
Ungläubig starrte Florian sie an.
»Ja.« Sie
legte ein Bündel Briefe auf den Tisch. »Die hast du Sabrina vor Jahren geschrieben.
Sie hat sie mir zur Aufbewahrung gegeben, weil sie nicht wollte, dass er sie findet.
Ich denke, jetzt sind sie bei dir in besseren Händen.«
Florian
schluckte, dann streckte er vorsichtig die Hand aus und steckte das Bündel ein.
Er musste nicht auf das Datum der Poststempel blicken, um zu wissen, dass es die
Briefe waren, die er ihr geschrieben hatte, nachdem sie ihn verlassen hatte. Eigentlich
wollte er sie gar nicht haben. Sie wühlten die Vergangenheit mehr auf, als ihm lieb
war.
»Sam hat
in ihrem Sekretär Fotos von euch gefunden …«
»Ja und?«
»Er hat
sie zerrissen.«
Florian
schwieg, und nach einer Weile fragte Marlies mit einem prüfendem Blick: »Hattet
ihr wieder Kontakt?«
»Nein.«
Beide waren
still, dann sagte Marlies: »Wenn ihre Tochter nicht wäre, hätte sie ihn wohl verlassen.«
»Meinst
du?«
»Ja, ich
glaube, sie wollte nur noch ein paar Jahre warten, bis Luz etwas älter und reifer
geworden
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