Zirkus zur dreizehnten Stunde
wusch und weiter in dem Fluss trieb. Die Pflanzen wirkten plötzlich krank. Die Ufer wurden zu Szenarien des Todes. Fische versuchten verzweifelt der gefärbten Strömung zu entkommen. Manche wurden erfasst, versanken in dem Rot und kehrten nicht mehr zurück.
Faith war wie hypnotisiert. Ihre Hände hatten ihre Tätigkeit inzwischen eingestellt, hielten den Stoff nur noch mit Mühe fest. Dann spürte sie einen kurzen Schmerz an ihrem Handgelenk. Erschrocken zog sie die Hand zurück, sah, wie ein Stück Holz weitertrieb und ihr nun auch noch den Stoff aus der anderen riss.
„Verdammt!“ Sie sprang auf die Beine. Der Umhang war von der Strömung gepackt worden und trieb weiter, erst in die Mitte des Flusses, dann immer weiter weg. Sofort wetzte sie ihm hinterher. Wenn sie das Ding jetzt auch noch verlor, wäre wirklich die Hölle los. Mischka hatte Wochen an dem Stück gearbeitet.
Der Fluss wurde tiefer, die Steine, die kurz zuvor nach an der Wasseroberfläche zu sehen waren, verschwanden zusehends. Die Strömung wurde schneller und reißender, der Umhang wirbelte wie ein Blatt in den Fluten.
Weiter vorne drängte sich der Fluss durch einen kleinen Engpass. Hier war ihre einzige Chance. Faith sprang ins Wasser, sackte nach wenigen Schritten in die Tiefe und versuchte Halt zu finden. Sie bekam den Stoff zu fassen, doch der Strom riss sie unweigerlich mit sich. Mit einem erstickten Schrei wurde sie in die Tiefe gezogen, der Umhang schlang sich um ihre Beine. Verzweifelt versuchte sie, wieder an die Oberfläche zu kommen, doch sie verhedderte sich immer weiter. Durch die reißende Strömung wurde sie wieder nach oben geschwemmt, allerdings nur, um sofort wieder in die Tiefen gezerrt zu werden. Faith wurde schmerzhaft gegen alle möglichen Hindernisse geworfen. Sie kämpfte um ihr Leben. Alles um sie wurde dunkler. Sie drohte, das Bewusstsein zu verlieren, da wurde sie noch einmal an die Wasseroberfläche katapultiert.
„Halte durch!“ Der Schrei holte sie ein wenig zurück und weckte erneut ihren Kampfgeist. Sie würde sich nicht so einfach aus dem Leben verabschieden!
Noch einmal versuchte sie, wenigstens ihre Beine zu befreien und es gelang ihr tatsächlich. Nicht weit vor ihr tauchte ein gewaltiger Felsen aus dem Flussbett auf. Wenn sie es schaffte, sich daran festzuklammern, wäre sie gerettet. Zumindest für den Moment.
Faith wehrte sich mit aller Kraft, als ein erneuter Sog sie nach unten ziehen wollte. Sie wurde regelrecht gegen den Stein geschmettert und es gelang ihr im letzten Augenblick, sich daran zu klammern. Sämtliche Luft war beim Aufprall aus ihren Lungen gepresst worden. Mühsam kämpfte sie die Übelkeit nieder. Alles um sie herum drehte sich, ein schwarzer Vorhang wollte sich über ihre Augen senken.
Nicht jetzt! Bitte, nicht jetzt! Sie versuchte, sich noch einmal zusammenzunehmen und all ihre Kraftreserven zu aktivieren. Der Stein bot nur wenig Halt und das, was sie im Moment an Ort und Stelle hielt, war die Kraft des Wassers, die sie unbändig gegen das Hindernis drückte. Sie versuchte vergeblich, sich etwas weiter in die Höhe zu ziehen. Ihre Finger brannten. Sie wollte überleben, irgendwie. Ignorierte alles andere.
Ihre Augen waren nass, vom Wasser oder von Tränen? Sie hatte Angst. Ich will Leben, presste eine Stimme in ihrem Kopf hervor und schien ihr übermenschliche Kräfte zu verleihen. Leben …
Der Umhang flatterte immer noch um ihre Gestalt, schien sie wie ein Kokon zu umgeben. Auch wenn sie sich nicht mehr darum kümmern wollte, haftete das Kleidungsstück an ihr als wäre er der Tod persönlich, der auf ihr Versagen wartete.
„Festhalten!“ Etwas war neben ihr erschienen. Ein Stab reckte sich ihr immer weiter entgegen. Ohne noch mehr Zeit mit nachdenken zu vergeuden, griff sie danach und klammerte sich mit aller Kraft daran fest. Sie spürte, wie sie von dem Stein weggezogen wurde, wieder in die Strömung. Kurz flackerte Panik auf, ihr Griff wurde noch fester. Die Wassermassen rissen an ihr, doch sie ließ nicht los. Dann spürte sie etwas, das sie übermütig werden ließ. Kurz hatte sie den Grund unter ihren Füßen berührt und suchte hastig nach mehr Halt. Beinahe wären ihre Hände von dem Stab abgerutscht. Mit einem kleinen Aufschrei packte sie hastig wieder zu. Sie kämpfte wie ein wildes Tier ums Überleben. Dann spürte sie eine starke Hand um ihr Gelenk. Die letzten Meter wurde sie mit einem Ruck gezogen. Arme umfingen sie. Sie taumelten die letzten Schritte
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