Zirkus zur dreizehnten Stunde
Wand, spürte jeden einzelnen Stein, der sich in ihren Rücken bohrte.
„Ich wollte nicht –“ Ein Schlag ins Gesicht unterbrach sie. Lillian fiel zur Seite, taumelte einer anderen in die Arme und sah für einen Moment nur noch Sterne. Der zweite Schlag raubte ihr die Luft, dann spürte sie wie eine Hand in ihre Haare griff und den Kopf grob zurückrissen. Sie sah aus den Augenwinkeln etwas aufblitzen. Ein Messer vielleicht oder auch nur eine Glasscherbe.
Lillian spürte etwas, sah Schatten, die näher krochen und plötzlich …
Ein Schrei und die Frau, die ihr am nächsten stand wurde regelrecht davongerissen. Erschrockenes Atmen war zu hören. Die anderen sahen sich um. Jäh packten auch sie Hände aus dem Nichts und rissen sie weg. Sie verschwanden mit einem Aufschrei im Dunkel. Dann war es ruhig.
Lillian war alleine in der Seitenstraße, umgeben von Schatten, Schatten, die immer mehr an Substanz zunahmen, die immer näher kamen.
Schritte!
Sie rührte sich nicht, wagte nicht einmal tief zu atmen. Allmählich schälte sich eine Gestalt aus der Dunkelheit. Ein Mantel bedeckte sie komplett, der Hut ließ nichts vom Gesicht erkennen. „So sieht man sich wieder.“ Die Stimme ließ Lillian zusammenzucken.
Ihr Herz setzte aus, alles schien anzuhalten, die Zeit hörte auf zu existieren.
„Damian …“, flüsterte sie entsetzt.
„Warum so erschrocken?“ Er nahm den Hut ab. Sein Gesicht kam zum Vorschein, er lächelte. „So ganz alleine hier?“ Er sah sich um. „In einer solchen Gegend ohne einen … Beschützer?“ Das letzte Wort triefte vor Hohn.
„Er ist ganz in der Nähe“, meinte sie und presste sich an die Wand.
„Wirklich?“ Das Grinsen nahm hämische Züge an. Es wirkte fast schon diabolisch. Lillian wurde mit jeder Sekunde unwohler. Sie sah sich um, suchte nach einem Ausweg, nach etwas, das sie retten konnte, etwas, das …
Ein Platschen erklang. Als wäre nicht weit von hier etwas in Wasser gefallen.
Wasser …
Die Themse …
Sie war ganz in der Nähe. Wo ein Fluss war, war auch …
Nebel …
Wie auf ein Kommando kroch er plötzlich die Straße entlang. Lillian sah wie er sich zusammenballte, als würde er ein gewaltiges Wesen erschaffen. Überall erschienen Gestalten aus purem Nebel. Sie wurden größer, zahlreicher, bis auch Damian sie wahrnahm.
„Was?“ Er drehte sich um. Sein Gesichtsausdruck wurde verbissen. „Du wirst nicht …“
Doch Lillian sprang einfach auf ihn zu, verwandelte sich blitzschnell in einen Fuchs und rannte zwischen seinen Beinen hindurch. Vor ihr erhob sich die Armee aus Nebelgestalten, die sie in ihre Mitte aufnahmen und verschwinden ließen.
Sie hörte, wie Damian einen Fluch ausstieß und versuchte, ihr nachzurennen. Doch seine Schritte wurde leiser, schienen sich zu entfernen. Der Nebel verschluckte ihn einfach.
Lillian achtete nicht mehr weiter darauf. Sie lief ohne zu überlegen durch die Gassen.
Sie musste Aramis finden!
***
„Wo ist diese Person denn nun?“ Aramis wurde ungeduldig. Mia hatte ihn durch die halbe Stadt geführt, zumindest hatte es sich so angefühlt. Die Pferdedresseurin war etwas planlos hin und hergelaufen. Immer wieder hatte sie auf ein kleines Papier geschaut, sich orientierungslos umgedreht und war wieder zurückgegangen, nur um die ganze Prozedur von Neuem anzufangen.
Jetzt standen sie irgendwo in einer dunklen Nische unter einer gewaltigen Brücke. Es war kalt, die Themse floss träge vor sich hin. Er hörte das Fiepen der Ratten.
„Ich … bin sicher,… dass es hier … sein muss.“ Sie drehte das Papier immer wieder ratlos in den Händen. Es schien als würde sie etwas suchen, als wäre sie selbst überrascht, dass hier nicht das zu finden war, was sie gehofft hatte.
„Ich hätte es wissen müssen.“ Aramis verlor die Geduld. Er drehte sich um und wollte den Weg zurückgehen.
„Wa … warte.“ Sofort rannte sie ihm nach, hielt ihn am Handgelenk fest. „Vielleicht kommt sie ja hier vorbei und wir müssen nur warten.“
„Vergiss es.“ Er schüttelte Mia grob ab. „Ich habe Wichtigeres zu tun, als nachts in London nach irgendwelchen Unbekannten Ausschau zu halten.“
„Aber …“, weiter kam Mia nicht. Vor ihnen stand plötzlich eine Frau.
„Wer wird denn so grob zu einem Mädchen sein“, tadelte ihn die Stimme.
Aramis sah sie skeptisch an und hob eine Augenbraue.
„Schlimm genug, dass du überhaupt eine Frau verschmähst.“ Die Fremde kam weiter auf Aramis zu. „Sag mir …“, sie sah
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