Zirkuskind
Rucksack zu ziehen, indem sie es mit Daumen und Zeigefinger der
rechten Hand an einem Hoden packte. Dann ließ sie es ins Badewasser plumpsen, wo
es (natürlich) schwamm, die Eier leicht untergetaucht, die beschnittene Spitze erhoben
– fast wie ein verblüffter, einsamer Schwimmer. Das eine Auge mit dem bösen Blick
war auf sie gerichtet.
Die zunehmende Besorgnis
des Doktors und seiner Frau wurde durch die unmißverständlichen Geräusche der Badewanne,
die ausgelassen und wieder gefüllt wurde, keineswegs verringert. Das war jetzt das
vierte Bad.
Man kann es Farrokh
und Julia nachfühlen, daß sie das Ächzen und Stöhnen mißverstanden, das Nancy bei
ihren Anstrengungen, den grotesken Penis auseinanderzuschrauben, von sich gab. Schließlich
waren die Daruwallas, trotz ihres aufs neue entflammten Liebeslebens, dessen lustvolle
Freuden sie zum Teil James Salter verdankten, in sexueller Hinsicht zahme Geschöpfe.
In Anbetracht der Größe des einschüchternden Geräts, das sich im Rucksack der Hippiefrau
befand, und der Geräusche körperlicher Anstrengung, die aus dem Badezimmer drangen,
ist es verzeihlich, daß Farrokh und Julia ihrer Phantasie die Zügel schießen ließen.
Wie hätten die Daruwallas
auch wissen sollen, daß Nancys frustrierte Schreie und Flüche schlichtweg darauf
zurückzuführen waren, daß es ihr nicht gelang, den Dildo aufzuschrauben? Und obwohl
die Daruwallas ihrer Phantasie ziemlich freien [357] Lauf ließen, hätten sie sich nicht
im Traum vorstellen können, was Nancy wirklich passiert war.
Auch vier Bäder
konnten nicht wegwaschen, was ihr passiert war.
Dieter
Von dem
Augenblick an, in dem Dieter mit ihr aus dem Taj Mahal ausgezogen war, hatte sich
für Nancy alles zum Schlechteren gewendet. Ihr neues Quartier befand sich in einem
kleinen Haus am Marine Drive, dem Sea Green Guest House, einem schmutzigweißen Gebäude,
wie Nancy registrierte – im Smog vielleicht auch bläulichgrau. Dieter behauptete,
er bevorzuge diese Unterkunft, weil dort viel arabische Klientel verkehre und Araber
unbedenklich seien. Nancy konnte nicht viele Araber entdecken, aber vermutlich hatte
sie nicht alle als solche erkannt. Sie wußte auch nicht, was Dieter unter »unbedenklich«
verstand – er meinte lediglich, daß den Arabern Drogenhandel in so kleinem Stil,
wie er ihn betrieb, gleichgültig war.
Im Sea Green Guest
House lernte Nancy eine der Hauptbetätigungen kennen, die mit dem Einkauf von qualitativ
hochwertigem Rauschgift verbunden waren – nämlich warten. Dieter machte ein paar
Telefonanrufe, und dann warteten sie. Dieter zufolge ergaben sich die besten Deals
auf indirektem Weg. Auch wenn man noch so angestrengt versuchte, einen direkten
Deal zu machen, und zwar in Bombay, man landete immer in Goa, wo man mit dem Freund
eines Freundes ins Geschäft kam. Und immer mußte man warten.
Diesmal war nur
bekannt, daß der Freund eines Freundes regelmäßig im Bordellviertel von Bombay verkehrte,
obwohl es auf der Straße hieß, der Kerl sei bereits nach Goa gefahren und Dieter
würde ihn dort suchen müssen. Suchen hieß in diesem Fall, [358] daß man ein Häuschen
an einem bestimmten Strand mietete; und dann hieß es wieder warten. Man konnte sich
nach ihm erkundigen, aber finden würde man ihn trotzdem nicht. Immer war er derjenige,
der einen fand. Diesmal hieß der Betreffende Rahul. Es war immer ein gängiger Name,
und den Nachnamen erfuhr man nie – nur Rahul. Im Rotlichtbezirk nannten sie ihn
»Pretty«.
»Das ist aber ein
komischer Name für einen Kerl«, bemerkte Nancy.
»Wahrscheinlich
ist er eines von diesen ›Gänschen mit Schwänzchen‹«, sagte Dieter. Dieser Ausdruck
war Nancy neu; sie bezweifelte, daß Dieter ihn in einem amerikanischen Film aufgeschnappt
hatte.
Dieter versuchte
Nancy die Transvestitenszene zu erklären, aber er hatte selbst nie begriffen, daß
die hijras Eunuchen waren, daß sie also wirklich
entmannt waren. Er hatte die hijras mit den zenanas verwechselt, den unverstümmelten
Transvestiten. Einmal hatte sich ein hijra vor Dieter entblößt, aber Dieter
hatte die Narbe irrtümlich für eine Vagina gehalten – und den hijra für eine echte Frau. Von den zenanas , den sogenannten Gänschen mit Schwänzchen,
behauptete Dieter, der sie auch als »Bürschchen mit Brüstchen« bezeichnete, das
seien lauter Schwule, die Östrogene nahmen, damit ihre Titten größer wurden. Allerdings
bewirkten die Östrogene auch, daß ihre Pimmel immer kleiner wurden, bis
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