Zirkusluft
gesellschaftlichen Ansehen leben will, allerdings mit einem Mann, der mir nichts bedeutet und dessen Anblick mich schon seit Jahren fast in den Wahnsinn treibt. Ganz zu schweigen von seinem Geruch. Oder ob ich die Frau eines Kriminalkommissars sein möchte, der mir nicht viel mehr bieten kann als abends eine Kriminalgeschichte, die ziemlich genau dem entspricht, was er tagsüber erlebt hat.«
»Und die häufig dröge und langweilig ist«, ergänzte Lenz und klang dabei ein klein wenig beleidigt.
Sie blickte auf und sah ihn treuherzig an.
»Nun gib nicht die Mimose. Ich hab nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich bis jetzt aus primär wirtschaftlichen Erwägungen bei Erich geblieben bin. Das war die ganzen Jahre richtig, davon bin ich auch heute noch überzeugt. Aber, wie gesagt, in den letzten Monaten habe ich zunehmend Zweifel bekommen«, fügte sie kleinlaut hinzu.
Lenz schob sie zur Seite, setzte sich aufrecht, verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie ernst an.
»Was um alles in der Welt versuchst du mir zu erklären, Maria? Und was hat das alles mit den Wahlen im nächsten Frühjahr zu tun?«
Sie stand auf, ging nackt, wie sie war, zum Fenster, zog den Vorhang einen Spalt auseinander und spähte auf den verlassen wirkenden Fritzlarer Marktplatz. Dann drehte sie sich um und schaute Lenz an.
»Wenn Erich die Wahl im nächsten Frühjahr verliert, und darauf deutet auch nach seinen eigenen Aussagen einiges hin, wäre ich gerne die neue Frau an der Seite des Leiters der Mordkommission in Kassel.«
Lenz widerstand dem Impuls, aufzuspringen und sie in seine Arme zu reißen, denn in seinem Kopf klingelte hell und laut das erste Wort ihrer Anfrage. Zögernd beantwortete er ihre Frage mit der einzig möglichen Gegenfrage.
»Und was möchtest du sein, wenn er die Wahl nicht verliert?«
Wieder drehte sie sich um und sah einen Moment lang aus dem Fenster. Dann ging sie langsam zurück zur Couch, setzte sich auf die Kante und zog die Schultern hoch.
»Dann müssen wir uns noch gedulden, du genauso wie ich. Ich werde ihn nicht verlassen, solange er OB ist. Aber ich verspreche dir heute Abend hoch und heilig, dass ich ihn spätestens drei Monate nach seiner Wahlniederlage im März verlassen werde. Dann stehe ich mit Sack und Pack vor deiner Tür und verschwinde auch so schnell nicht wieder.«
Lenz kratzte sich hörbar am Kinn.
»Nur, dass ich es auch ganz genau verstehe und nichts falsch interpretiere: Ich soll meine Zukunft mit dir von einem Haufen Menschen abhängig machen, die entweder links oder rechts ihr Kreuzchen machen?«
Maria sah ihn mit einem vielsagenden Grinsen an, schlüpfte unter die Decke und fand sofort mit ihrer Zunge seine Brustwarze.
»Genau. Deshalb solltest du anfangen, dir Gedanken über deinen Wahlkampf zu machen«, nuschelte sie.
Eine halbe Stunde später lagen die beiden restlos erschöpft, aber entspannt nebeneinander.
»Das war doch mal eine aussagefähige Bewerbung«, meinte Maria trocken.
»He, he, Moment mal. Du hast dich bei mir beworben, nicht ich bei dir. Ich hab nie davon gesprochen, mit Sack und Pack vor deiner Tür aufzutauchen.«
»Gut, dann hast du eben meine Bewerbung entgegengenommen. Hat’s dem Herrn gefallen?«
Er drehte sich zu ihr und küsste ihre schweißnasse Stirn.
»Durchaus«, begann er, »wobei, im Mittelteil…«
Weiter kam er nicht, denn sie schlug und trat sofort mit allem nach ihm, was an ihr gewachsen war.
»Stopp, stopp, ich ergebe mich!«, rief er, griff nach ihren Armen und rollte sich auf sie. »Natürlich war das eine prima Bewerbung.«
»Alles andere hätte ich auch als schwere Belastung unserer bilateralen Beziehungen angesehen.«
»Das klang jetzt wie bei einer Politikerin.«
Sie lachte laut auf.
»Stimmt. Wie würde es denn mein Kripomann ausdrücken?«
Lenz wurde ernst.
»Anders.«
Maria sah ihn aufmerksam an.
»Was ist denn plötzlich, Paul?«
»Ich habe nur gerade darüber nachgedacht, dass Erich Zeislinger vielleicht nächstes Jahr nicht mehr der OB von Kassel ist und ich abends nach Hause komme und solche Dinge erlebt habe wie heute.«
»Erzähl.«
»Bist du sicher?«
»Na ja. Wir können immerhin schon mal üben für den Fall, dass im nächsten Jahr ein anderer OB ins Kasseler Rathaus einzieht.«
»Was ich doch sehr hoffe«, ergänzte Lenz und begann, ihr vom Mord am Fuldaradweg und den daraus resultierenden Ereignissen zu berichten.
»Mein lieber Mann«, versuchte Maria, Worte für das Gehörte zu
Weitere Kostenlose Bücher