Zirkusluft
offen gestanden interessiert es mich auch nicht.«
Er gähnte.
»Und wie geht es dir? Hat dein Mann dich im weiteren Verlauf der Nacht in Ruhe gelassen?«
»Sicher, ja. Ich habe ihn heute auch noch gar nicht gesehen. Als ich vorhin aufgestanden bin, war er schon weg. Aber heute Abend muss ich wieder als gute Ehefrau herhalten, seine Parteibonzen feiern einen verdienten Mitstreiter.«
»Schade. Ich dachte, ich könnte dich heute Abend zu einem Termin beim Psychiater überreden.«
Sie lachte leise.
»Schön gesagt, nur heute leider völlig unmöglich. Morgen Abend könnte ich allerdings eine Therapiesitzung einschieben.«
»Ist mir auch recht«, erwiderte er ebenso spontan wie erfreut.
»Dann könntest du deine Liebeserklärung der vergangenen Nacht wiederholen.«
»Das hat dich gefreut, stimmt’s ?«
»Wenn du mir jetzt erklärst, dass du es nur gesagt hast, um mich zu erfreuen, will ich es nicht mehr hören.«
Sie machte eine kurze Pause, bevor sie weitersprach .
»Ich hab’s gesagt, weil es so ist, Paul. Ich liebe dich, nicht mehr und nicht weniger.«
Lenz atmete tief durch.
»Schön so«, sagte er.
»Ja, finde ich auch. Und jetzt mach dich los und bring diesen Mörder zur Strecke, bevor er noch mehr Unheil über die Menschen bringt. Aber pass auf, dass dir nichts passiert, ja?«
»Mach ich. Wir sehen uns morgen Abend. Bis dahin.«
»Ja, ich freu mich.«
Der Kommissar drückte die rote Taste seines Telefons, steckte es zurück in die Jacke, nahm die Füße vom Tisch und ging nach nebenan. Dort saß Hain an seinem Schreibtisch und telefonierte.
»Schon wieder wach?«, frotzelte der junge Oberkommissar, nachdem er das Gespräch beendet hatte.
»Ich konnte nicht schlafen«, ließ Lenz ihn kurz wissen. »Sind die Kollegen verständigt?«
»In einer Viertelstunde sind alle hier. Mein Anruf eben galt übrigens dieser Amygdala . Mit ein bisschen Glück habe ich gleich die IP-Adresse , von der aus sie mit Topuz in Kontakt stand. Das könnte uns ein klein wenig weiterhelfen.«
Kurz darauf saßen sieben Männer und eine Frau in Lenz’ Büro und wurden von ihm auf den neuesten Ermittlungsstand gebracht. Rolf-Werner Gecks legte ein Phantombild auf den Tisch, das nach den Angaben von Evelyn Brede angefertigt worden war.
»Nach dieser Visage sucht seit einer halben Stunde die ganze Republik. Leider kam das Bild erst, nachdem die PK zu Ende war, sonst hätten wir es gleich im Fernsehen zeigen können. Aber es ist mittlerweile an alle Agenturen gegangen.«
»Sehr gut«, lobte Lenz seinen Kollegen. »Wobei ich noch einmal zu bedenken gebe, dass es sich auch um eine Maskerade handeln kann. Gibt es schon was von der Spurensicherung?«
»Die sind noch vor Ort«, erklärte Andreas Heller, ein junger Kommissar, der vor zwei Monaten aus Gießen nach Kassel versetzt worden war. »Martin Hansmann hat mir versprochen, mich so schnell wie möglich anzurufen. Am besten fahre ich erneut zum Tatort und kümmere mich direkt darum.«
»Schön, mach das. Zwei von uns müssen nach Lohfelden , um diesem Günther Döring auf den Zahn zu fühlen, mit dem Reinhold Fehling, das erste Opfer, damals den Unfall hatte«, warf Hain ein. »Vermutlich kommt nicht viel dabei heraus, aber prüfen müssen wir es.«
Der Auftrag ging an Wolf Rauball und Rüdiger Ponelies , zwei altgediente Oberkommissare. Hain schrieb die Adresse des Mannes auf einen Zettel und reichte ihn über den Tisch.
Lenz griff in die Innentasche seiner Jacke und holte seinen kleinen Block heraus.
»Ich hätte auch noch so einen Auftrag. Die Frau von Topuz hat einen Lover. Er heißt Peter Wohlfahrt und wohnt an der Eisenschmiede 33 hier in Kassel. RW, nimm den Oliver mit und kümmert euch drum.«
»Machen wir.«
Oliver Peschel , ehemaliger deutscher Meister im Schwimmen und seit drei Jahren Oberkommissar, nickte seinem Kollegen zu.
»Bliebe noch Ihr Einsatz, Frau Dr. Driessler . Haben Sie schon genug Informationen, um uns vielleicht weiterhelfen zu können?«
Helga Driessler , eine Polizeipsychologin von Mitte 40, war vor knapp einem Jahr von Wiesbaden nach Kassel gezogen, nachdem sie eigentlich nur ein Projekt im Polizeipräsidium Nordhessen betreuen wollte. Amor allerdings hatte der Rückkehr in die Landeshauptstadt einen Strich durch die Rechnung gemacht, nachdem sie sich Hals über Kopf in einen Kommissar des Betrugsdezernats verliebt hatte.
»Nein, im Moment wäre eine Beurteilung reine Kaffeesatzleserei. Ich bin seit einer halben Stunde mit der
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