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Zirkusluft

Zirkusluft

Titel: Zirkusluft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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dieser Schlüsselwörter.«
    Lenz verstand nur Bahnhof.
    »Heute Mittag, kurz nachdem Sie seine heilige Halle verlassen hatten, rief mich Peter Franz an. Wir sind im gleichen Ort in der Nähe von Göttingen aufgewachsen und haben am selben Gymnasium unser Abitur gemacht. Mit den Jahren haben wir uns zwar immer mehr aus den Augen verloren, aber ganz abgerissen ist unser Kontakt nie.«
    Nun atmete Lenz hörbar durch.
    »Peter erzählte mir von der verstrahlten Frauenleiche. Und das hat bei mir alle Alarmglocken zum Klingeln gebracht.«
    »Weshalb?«
    »Auch dazu muss ich jetzt ein wenig ausholen.«
    Sie hatten die große Wiese zur Hälfte umrundet und nahmen Kurs auf die Insel Siebenbergen.
    »Dann los!«, forderte Lenz.
    »Vor etwa einem halben Jahr habe ich im BKA für einen der größten Fehlalarme der letzten Jahre gesorgt, weil ich behauptet habe, dass ein Anschlag mit einer Schmutzigen Bombe unmittelbar bevorstünde.«
    »Eine Schmutzige Bombe?«
    »Dazu komme ich gleich, Herr Lenz. Dieser Fehlalarm, der tatsächlich auf meine Kappe geht, hat die Bundesrepublik geschätzte acht Millionen Euro gekostet, und Sie können sich wahrscheinlich vorstellen, dass meine Vorgesetzten darüber nicht amüsiert waren.«
    Lenz schnalzte mit der Zunge.
    »Acht Millionen? Was haben Sie denen denn verkauft?«
    »Eigentlich ist es meine Aufgabe innerhalb der Abteilung, genau das zu tun, was ich gemacht habe. Allerdings lag ich mit ein paar Annahmen leider daneben.«
    »Aha«, machte der Hauptkommissar.
    »Hintergrund meiner Warnung vor einem Angriff mit einer Schmutzigen Bombe waren Informationen über ausgeschlachtete Radioisotopengeneratoren in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion.«
    Er sah in Lenz’ fragendes Gesicht und hob beschwichtigend die Hand.
    »Keine Angst, Herr Kommissar, ich versuche, Ihnen das so einfach wie möglich darzulegen. Radioisotopengeneratoren benutzt man überall dort, wo man Strom braucht, es aber leider keinen gibt, zum Beispiel in der Raumfahrt. Alle Marssonden, die bis heute losgeschickt wurden, werden mit diesen Dingern betrieben. Aber nicht nur in der Raumfahrt benutzt man sie, sondern auch für militärische und zivile Zwecke. Sogar in ganz alten Herzschrittmachern hat man winzig kleine verbaut. Die Amerikaner haben welche, die Chinesen, und eben auch die ehemalige Sowjetunion hatte und hat welche. Meistens haben sie damit Leuchttürme oder militärische Funkstationen am Polarkreis und in der Steppe betrieben, manchmal, aber das ist weniger bekannt, wurde damit auch der Strom für unterirdische Abschussrampen von Atomraketen erzeugt. Für uns sind im Moment die Leuchttürme und die Funkfeuer von Bedeutung, weil deren Generatoren mittlerweile ihren Lebenszyklus weit hinter sich haben. Das heißt, sie erzeugen nur noch wenig Energie, sind aber vollgepackt mit strahlendem Material, in der Hauptsache Strontium 90.«
    »Moment«, unterbrach Lenz, »das ist doch das Zeug, mit dem die Frau aus dem ICE verstrahlt war.«
    »Ganz genau. Strontium 90 ist ein sogenannter Betastrahler, aber dazu komme ich später, weil ich noch mal auf die Leuchttürme der Sowjets zurückkommen muss. Nach Berechnungen der Internationalen Atomenergiebehörde waren bis 1990 da drüben mindestens 1.750 dieser Radioisotopengeneratoren in Betrieb. Nach dem Zerfall der Sowjetunion standen plötzlich Staaten wie Georgien, Kasachstan oder Turkmenistan vor der Aufgabe, den radioaktiven Müll entsorgen zu müssen, sofern sie sich überhaupt darum gekümmert haben. In vielen Fällen, das ist dokumentiert, haben sie sich aber eben nicht darum gekümmert. Und das bringt uns zu dem Punkt, warum ich mich unbedingt mit Ihnen treffen musste, seit ich weiß, dass die Frau verstrahlt und tot ist.«
    Er erwartete offenbar eine Reaktion von Lenz, der jedoch voll und ganz mit der Verarbeitung seiner Ausführungen beschäftigt war.
    »Seit 1990 wurden mindestens 14 dieser Radioisotopengeneratoren von Unbefugten ausgeschlachtet. Das radioaktive Material hat sich natürlich nicht in Luft aufgelöst, sondern ist irgendwo in der Welt unterwegs. Wir, speziell ich, befürchten seit Langem einen Anschlag damit, weil ich vermute, dass die eine oder andere Ladung in den falschen Händen gelandet ist.«
    Lenz’ Schritte wurden langsamer.
    »Beispielsweise in denen der Frau?«
    »Vielleicht. Jetzt erkläre ich Ihnen auf die Schnelle, wie das Zeug wirkt. Wie gesagt, handelt es sich bei Strontium 90 um einen Betastrahler. Wird der menschliche Körper

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