Zirkusluft
ihrem Sessel hin und her.
»Na ja, eigentlich nicht, aber wir haben uns gestern Abend ziemlich heftig gestritten.«
»Darf ich fragen, worum es bei diesem Streit ging?«, wollte der Hauptkommissar wissen.
Wieder rutschte sie unruhig herum.
»Ich weiß nicht. Das ist doch sehr privat.«
»Ging es um seinen Job? Um das, was in der Firma schiefgelaufen ist?«
»Nein, ganz und gar nicht. Aber der Job hängt natürlich immer irgendwie mit drin.« Sie schnaufte. »Also. Es ging mal wieder ums Geld. Stefan will unbedingt ein Cabrio kaufen, dabei haben wir unseren Polo noch nicht komplett abbezahlt. Er meinte, das mit dem Geld würde er schon hinkriegen, aber er wolle unbedingt das Cabrio. Ich bin darüber furchtbar ärgerlich geworden, und dann haben wir uns richtig gezankt.«
Die beiden Polizisten sahen sich an.
»Hat er Ihnen erklärt, wie er das mit dem Geld regeln würde?«, fragte Lenz.
»Nein. Irgendwann ist er ins Bett gegangen, und ich habe mich auf die Couch gelegt. Heute Morgen ist er schon weg gewesen, als ich aufgewacht bin.«
»So ein Streit kommt doch in jeder Ehe mal vor«, wandte Hain ein. »Das ist bei Ihnen sicher nicht anders als in anderen Beziehungen.«
»Ja, das stimmt«, bestätigte sie. »Wir streiten uns schon manchmal, aber wir vertragen uns auch wieder.«
»Sehen Sie. Und wenn Ihr Mann sich bei Ihnen meldet, sagen Sie ihm bitte, dass er uns anrufen soll. Und, dass es wirklich dringend ist.«
»Aber er hat doch nichts verbrochen, oder?«
»Nein, natürlich nicht. Es geht um diese Sache in der Firma, da bräuchten wir eine Aussage von ihm.«
Sie schnaufte. »Schön. Für einen Moment dachte ich jetzt, Stefan hätte…« Sie sprach nicht weiter.
»Hat er bestimmt nicht, Frau Wahlburg«, beschwichtigte Lenz, stand auf und legte eine Visitenkarte auf den Tisch. »Er soll uns anrufen, bitte.«
»Ich sage es ihm.«
Sie brachte die Polizisten zur Tür.
»Und machen Sie sich keine Gedanken, er wird schon wieder auftauchen. Wie mein Kollege gesagt hat, Streit gibt’s in den besten Ehen, das gehört einfach dazu.«
»Ich wusste ja gar nicht, dass du als Witwentröster über solch exquisite Begabungen verfügst«, frotzelte Hain, als sie im Auto saßen.
»Ich habe viele Begabungen, von denen du nichts weißt, mein junger Freund. Und ich hoffe, dass deine Wortwahl kein Orakel ist. Für den Fall nämlich, dass Wahlburg dieses ›Chamäleon‹ mit den Informationen über Fehling und Topuz versorgt und der sich jetzt einen Zeugen vom Hals geschafft hat.«
»Das wäre übel für Wahlburg, aber leider nicht ausgeschlossen. Wollen wir als Zeuge nach ihm fahnden lassen?«
»Ja, natürlich. Bring uns…« Er wurde unterbrochen vom Klingeln seines Mobiltelefons. Es war Rolf-Werner Gecks , der ihn darüber informierte, dass die beiden Begleiter der toten Frau im ICE identifiziert seien.
»Wir sind in einer Viertelstunde bei dir. Bis gleich.«
»Bei den beiden Russen aus dem Zug handelt es sich nicht um Russen, sondern Ukrainer«, erklärte Gecks seinen Kollegen. »Es sind zwei Brüder, und sie heißen…«, er griff zu einer Kladde auf dem Tisch, »Wladimir und Roman Kirow.«
»Kirow?«, wiederholte Lenz erstaunt.
Gecks sah noch einmal auf die Kladde. »Ja, Kirow, ganz sicher. Was stört dich daran?«
Lenz schloss für einen Moment die Augen. Dann sah er seinen langjährigen Kollegen ernst an und berichtete ihm von seinem Treffen mit dem Physiker am Abend zuvor.
»Und wenn ich richtig vermute, sind die beiden mit Juri Kirow verwandt. Aber wir können seinem Verdacht nicht offen nachgehen, weil Jelinski sonst einen Heidenärger bekommt. Und du musst mir versprechen, dass das, was ich dir gerade erzählt habe, hier im Raum bleibt.«
»Klar, Paul. Aber was machen wir, wenn dieses ›Chamäleon‹ tatsächlich einen Anschlag mit einer Schmutzigen Bombe plant?«
Lenz kam nicht dazu zu antworten, weil gleichzeitig sein Telefon und das von Gecks auf dem Schreibtisch klingelten. »Scheiße«, murmelte er, drückte auf die grüne Taste und meldete sich, während Gecks den anderen Anruf entgegennahm.
»Franz aus Göttingen. Setzen Sie sich ins Auto und kommen Sie her. Am besten sofort und möglichst schnell.«
Der Hauptkommissar wollte den Mediziner nach einer Begründung fragen, aber die Verbindung war unterbrochen.
»Das scheint sein verdammtes Hobby zu werden!«, fluchte Lenz und sah in das fragende Gesicht von Thilo Hain. »Dr. Franz aus Göttingen. Ich soll zum Rapport
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