Zirkusluft
kleiner Kripomann wie ich, aber selbst das hat mich nicht weitergebracht.«
Vor etwa vier Monaten war es Hain aus einer Bierlaune heraus gelungen, den Code des Kriminalrates zu hacken. Lenz hatte die größten Bedenken, wenn sein Kollege darauf zugriff, doch der Oberkommissar verstand es immer wieder, ihn zu beruhigen.
»Immerhin«, fuhr Hain fort, »sind die beiden Russen zur Fahndung ausgeschrieben. Die Phantombilder sind gut, aber ich könnte mir vorstellen, dass die beiden längst wieder im Osten untergetaucht sind. Und es ist eine Mail von Dr. Franz gekommen. Evelyn Brede wurde mit der gleichen Mischung betäubt wie Fehling, Topuz und die unbekannte Russin.«
»Dann werden die Dinge so langsam klar. Dieses ›Chamäleon‹ hat auch den Kollegen Hartmann erschossen.«
»So weit, so schlecht«, stimmte Hain ihm zu. »Trotzdem müssen wir klären, ob es bei dieser Kabelgesellschaft eine undichte Stelle gibt. Und wenn, dann hat vielleicht dieser Datenverkäufer das ›Chamäleon‹ gesehen.«
Lenz sah auf die Uhr an der Wand.
»9.30 Uhr. Von mir aus können wir gleich bei denen vorbeigehen. Vielleicht hat der Geschäftsführer schon was rausgefunden .«
»Schon in Ordnung, aber mir wäre die Benutzung eines Kraftfahrzeuges wesentlich lieber«, nölte Hain.
»Nix da, wir gehen zu Fuß.«
Eine halbe Stunde später standen sie vor der Bürotür des Geschäftsführers der Kabel-Hessen-Media-GmbH . Die junge Sekretärin klopfte vorsichtig und steckte den Kopf hinein.
»Hat er sich gemeldet?«, fragte eine Stimme aus dem Zimmer.
»Nein, leider nicht, Herr Zander. Aber da sind wieder die beiden Herren von der Polizei, die gestern schon hier waren.«
»Sollen reinkommen.«
Zander sah mitgenommen aus. Er streckte den Beamten die Hand hin, begrüßte sie und bot ihnen einen Stuhl an.
»Das ist einer jener Tage, wie ich sie hoffentlich nicht zu häufig in meinem Leben geboten bekomme«, eröffnete er das Gespräch.
»Was ist passiert?«, wollte Lenz wissen.
»Herr Wahlburg, den Sie ja gestern kennengelernt haben, ist heute nicht hier erschienen. Seine Frau hat mir versichert, dass er pünktlich wie immer die Wohnung verlassen hat, allerdings ist er hier nicht angekommen. Und das passt ganz schlecht, weil wir eine größere Störung haben und er der Mann ist, der sie beseitigen muss.«
»Wo wohnt er?«
»In Vellmar.« Der Geschäftsführer schrieb die Adresse auf einen Zettel.
»Kommt es öfter vor, dass er zu spät oder gar nicht zur Arbeit erscheint?«
Zander schüttelte den Kopf.
»Nein. Er ist ein überaus zuverlässiger Mitarbeiter.«
»Aha«, machte Hain. »Sind Sie mit Ihren Recherchen, was die Daten von Herrn Fehling und Herrn Topuz angeht, weitergekommen?«
»Nein, leider noch nicht. Zuerst muss die Störung behoben sein, vorher geht gar nichts.«
»Was ist das für eine Störung?«, wollte der Oberkommissar wissen.
»Das ist etwas Internes, Herr Kommissar. Es sind keine Kundendaten involviert, wenn Sie das meinen.«
»Schön«, erwiderte Hain.
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, können Sie erst etwas zu unserer Anfrage sagen, wenn Herr Wahlburg die Störung in Ihrem System behoben hat«, fasste Lenz zusammen.
»Herr Wahlburg oder jemand anders. Wir stehen in engem Kontakt mit der Zentrale. Glücklicherweise ist Herr Fischer wieder im Dienst.«
»Dann schlage ich vor, Sie melden sich bei uns, sobald Sie etwas wissen. Einverstanden?«
»Natürlich«, gab Zander zurück.
33
Martin Franck band sich die Laufschuhe, befestigte die Gürteltasche an seiner Hüfte, steckte eine kleine Pistole hinein und verließ die Wohnung. Über den idyllischen Park am Katzensprung erreichte er den Fluss, folgte dem Radweg und hatte kurze Zeit später die Stadt mit ihrem morgendlichen Verkehrslärm hinter sich gelassen. Das moderate Tempo, das er lief, konnte er über viele Kilometer halten. 90 Minuten später hatte er seine Trainingseinheit für den Tag erledigt. Nach einer ausgiebigen Dusche und einem frugalen Frühstück zog er Unterwäsche und Strümpfe an und entnahm danach einer großen, olivfarbenen Kunststoffkiste einen unförmigen, neongelben Schutzanzug und ein Hazmat-Atemschutzgerät samt Versorgungsflasche der amerikanischen Firma Interspiro . Nachdem er das Atemschutzgerät angelegt hatte, stieg er in den Anzug, verschloss sorgfältig alle Öffnungen und stellte seine Atemversorgung um auf die Flasche auf seinem Rücken. Dann ging er ein Zimmer weiter, wo auf einem Tisch der
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