Zirkusluft
Aluminiumkoffer stand, dessen Inhalt Tatjana Medwedewa ihm gerne verkauft hätte. Er atmete tief ein, öffnete die Schlösser und klappte vorsichtig den schweren Deckel nach oben. Dort befand sich, eingefasst in einen CNC-gefrästen , mittig geteilten Aluminiumblock, die mattschwarz schimmernde Kartusche mit 2,8 Kilogramm feinst gemahlenem Strontium 90. Er nahm den Zylinder in die rechte Hand, griff mit der linken an die Oberseite und begann, den Behälter aufzuschrauben. Als er damit fertig war, legte er den Deckel vorsichtig auf den Tisch. Trotz der Kühle in dem ungeheizten Raum begann er zu schwitzen.
Mit langsamen Bewegungen setzte er einen flexiblen Stahlschlauch auf das offene Ende, überzeugte sich, dass die Verbindung dicht saß, und füllte den Inhalt des Zylinders in eine quadratische Metalldose, die ebenfalls auf dem Tisch stand. Als er das erledigt hatte, nahm er den Schlauch von beiden Behältern, setzte jeweils einen Deckel auf die Enden, fixierte diese mit Schellen und legte ihn beiseite. Dann verschloss er den Zylinder aus dem Koffer, stellte ihn neben das Gepäckstück und wandte sich der quadratischen Metalldose zu, die er selbst angefertigt hatte. Auch hier setzte er einen Verschlussstopfen auf die kreisrunde Einfüllöffnung und drehte ihn fest. Nun befand sich das Strontium 90 in dem Behälter, in dem er es verwenden wollte.
Nachdem er alle Utensilien und Gegenstände, die er benutzt hatte, in einer von ihm vorbereiteten großen, strahlungsgeschützten Kiste verstaut und die Kiste verschlossen hatte, hob er den quadratischen Behälter hoch und trug ihn zu einer Spüle an der Wand. Dort ließ er lange Wasser darüber laufen, trocknete ihn ab und ging zur Tür. In einer weiteren Kiste verstaute er den Anzug und das Atemschutzgerät, griff nach dem quadratischen Behälter und verließ den Raum, den er niemals wieder betreten würde.
34
»So viel zum Thema ›Das können wir doch zu Fuß erledigen‹, Herr Hauptkommissar. Hätten wir gleich einen Wagen genommen, wären wir schon in Vellmar.« Die beiden überquerten den Bahnhofsvorplatz, betraten das Polizeipräsidium durch den Haupteingang und verließen es kurze Zeit später fünf Stockwerke tiefer am Hinterausgang. Hain steuerte auf einen Opel zu und öffnete die Türen. »Warum muss ich auch immer auf dich hören, wenn du deinen Bewegungsdrang ausleben willst?«
»Nun hör auf, Thilo. Ich hab mich zwei Mal entschuldigt, das muss reichen.«
Der Oberkommissar klemmte sich hinters Steuer, stellte Sitz und Spiegel ein und startete den Motor.
»Ich hab mich doch entschuldigt…«, äffte er seinen Chef nach.
Eine Viertelstunde später hatte er sich beruhigt und stellte den Vectra gegenüber dem Haus ab, in dem Stefan Wahlburg wohnte. »Dann mal los.«
Martina Wahlburg, Stefan Wahlburgs Frau, empfing die beiden an der Tür. Sie war völlig irritiert, dass die Polizei sich nach dem Verbleib ihres Mannes erkundigte, bat die Beamten aber trotzdem ins Wohnzimmer.
»Es gibt ein Problem in der Firma Ihres Mannes, deshalb wurden wir von Herrn Zander gebeten, uns nach ihm umzuschauen«, log Hain. »Und Sie haben keine Idee, wo Ihr Mann sich aufhalten könnte?«
»Absolut nicht«, antwortete die untersetzte Frau. »Ich habe schon mit den meisten unserer Bekannten und Verwandten telefoniert, aber keiner hat etwas von Stefan gehört. Und so langsam mache ich mir ernsthafte Sorgen, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte.«
»Daran wollen wir im Moment noch nicht denken, Frau Wahlburg«, versuchte Lenz, die Frau zu beruhigen. »Ist Ihr Mann irgendwie anders gewesen in den letzten Tagen oder Wochen?«
Sie dachte einen Moment nach.
»In den letzten Tagen oder Wochen nicht, aber so wie gestern Abend habe ich ihn noch nie erlebt. Er war völlig durch den Wind.«
»Wieso?«
»Er hat mir erzählt, dass in der Firma etwas schiefgelaufen sei und er vielleicht dafür verantwortlich gemacht würde. Es hat Stefan immer belastet, wenn in dieser doofen Firma etwas danebengegangen ist, und das ist eher die Regel als die Ausnahme.«
»Was geht denn so alles schief?«
»Fragen Sie mich nicht, davon habe ich keine Ahnung. Ich weiß nur, dass Stefan sich schleunigst einen anderen Job suchen muss, sonst geht er vor die Hunde. Meistens arbeitet er elf oder auch zwölf Stunden am Tag, oft auch samstags. Und der Verdienst ist auch nicht die allererste Sahne.«
»Kommt es denn öfter vor, dass er mal einen Tag nicht zu erreichen ist?«
Sie rutschte unsicher auf
Weitere Kostenlose Bücher