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Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas F. Monteleone
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eines übrig: die Büchse anzufassen – und sei es nur aus wissenschaftlichem Forschungsdrang, wie sie sich selbst einredete.
    Also streckte Tessa vorsichtig eine Hand aus und strich über die reichgeschmückte Oberfläche. Wie ein Schock traf sie die Erkenntnis, daß die Büchse Substanz besaß, daß sie wirklich vorhanden war. Und dennoch weigerte sich etwas in ihr, an die Echtheit zu glauben.
    Dann erwartete sie eine neue Überraschung: Das Berühren dieses Objekts bereitete wirkliches Vergnügen. Es schien so, als würde von den Materialien der Büchse ein hypnotischer Einfluß ausgehen, der dazu stimulierte, die Büchse anzufassen. Sie spürte sogar regelrecht einen Unwillen, ihre Hand wieder von dem entzückend ausgearbeiteten Deckel zu nehmen. Das Muster, so stellte sie beiläufig fest, entsprach dem nicht mehr unvertrauten Fünfeckmotiv.
    Plötzlich zog sie die Hand von dem Objekt zurück, als bräche sie einen Bann, der vorher auf ihr gelastet hatte. Was hatte das alles zu bedeuten? Tessa von Prend war kein Mensch, der ohne weiteres jede außergewöhnliche Situation akzeptieren konnte. Es gab, so hatte sie zu begreifen gelernt, viele Wunder der Technik und der verlorengegangenen Wissenschaften aus der Ersten Zeit. Überhaupt war es kaum möglich, wenn nicht sogar ausgeschlossen, viele Arbeitsweisen und Funktionen der Zitadelle anders als mit Magie oder Illusion zu erklären. Wer war das noch gewesen, der gesagt hatte, für den normalen Menschen habe Wissenschaft genausoviel mit Glaube zu tun wie mit Religion? Sie wußte nicht mehr, wer das gewesen war, aber sie wußte, was er damit hatte sagen wollen.
    Dieser Mann namens Zeus … Falls er wirklich eine reale Person war, dann gründete sich seine Existenz auf Wissenschaft oder auf Magie. Falls er eine Illusion war, dann war diese von der Zitadelle erzeugt worden – aber was machte das schon aus? Und was hatte es zu bedeuten?
    Sie konnte keine Antwort finden, die einen Sinn ergeben hätte. Sie traute Zeus Worten nicht und wünschte, Varian wäre jetzt bei ihr. Sie beide zusammen, dessen war sie gewiß, hätten die Bedeutung dieser Begegnung verstanden. Allein hatte Tessa jedoch Schwierigkeiten, sich zu entscheiden, was sie nun glauben sollte und was richtig war.
    Vorsichtig sah sie sich im Raum um und entdeckte nichts außer den glatten, polierten und fugenlosen Konturen der Maschinen, Konsolen und Datenschirme. Die Beleuchtung weichte die rauhe Wirklichkeit etwas auf, reichte aber nicht aus, um ihren aufgewühlten Verstand zu beruhigen. Zum erstenmal seit ihrer Ankunft, ihrer Gefangensetzung, begriff Tessa, wie fremdartig, wie völlig anders die Zitadelle und der Wächter im Vergleich zu dem waren, was sie bisher in ihrer Welt gesehen hatte. Sie fragte sich, ob es nicht vielleicht besser wäre, dieser Ort wäre verschüttet und vergessen und würde nie von jemandem aus der heutigen Welt entdeckt. Wer immer auch die Erbauer der Zitadelle gewesen waren, dachte Tessa, es mußte eine fremdartige Rasse gewesen sein, eine längst ausgestorbene Nebenlinie von Fremdwesen. Mehr als ein Jahrtausend, glaubte Tessa, trennte ihre eigene Rasse von diesen anderen.
    Ihre Augen kehrten zu der kunstvoll gefertigten Büchse zurück. Sie spürte, wie sich ihr Pulsschlag beschleunigte. Der einzige fühlbare Beweis ihrer Begegnung, ein Punkt, von dem aus man fortfahren konnte.
    Was sollte sie mit der Büchse anfangen? Warum hatte man sie ihr gegeben? Sie wußte, daß die Geschichte von den Göttern und den Brüdern barer Unsinn gewesen war, ganz sicher war dies so. Aber trotz allem blieb die Frage – warum?
    Tessa hob die Büchse hoch und bemerkte augenblicklich, wie dieses Gefühl, diese seltsam einladende Wahrnehmung, sie wieder beschlich. Die bloße Berührung der Büchse verlieh ihr ein äußerst angenehmes, unbeschreibliches Gefühl. Sie wollte die Büchse berühren, als sei sie von einer sinnlichen Zuneigung zu diesem Objekt erfaßt worden. Wirklich sehr merkwürdig.
    Sie sah auf die verzierten Scharniere und erinnerte sich an die warnende Inschrift: Die Büchse dürfe niemals geöffnet werden. Ganz offensichtlich war diese Inschrift der Schlüssel zu dem Geheimnis und vielleicht auch zu der Büchse selbst, dachte Tessa. Sie dachte darüber nach und kam endlich zu folgendem Schluß: Der Mann, der sich Zeus nannte, wollte von ihr gar nichts anders, als daß sie die Büchse öffnete. Andernfalls wäre bestimmt irgendeine Schutzmaßnahme vorhanden gewesen, ein Schnapp

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