Zitadelle des Wächters
Verschluß oder ein Schloß, etwa um sie verschlossen zu halten. Die Warnung war nur beigefügt worden, um die Sache noch verlockender zu machen.
Und jetzt wußte Tessa auch, was sie zu tun hatte.
Acht
„Dann waren das also gar keine Illusionen“, sagte Stoor zu der versammelten Gruppe.
„Woher willst du das wissen?“ fragte Varian. „Nur wegen der Büchse? Die hätte in der Datenspeicherungsanlage hinterlegt werden können. Und der Rest bliebe dann immer noch Illusion …“
Raim nickte bei dem letzten Wort heftig. Ganz offensichtlich wollte er nicht daran glauben, daß seine Begegnung mit Marise real gewesen war. Seiner geliebten Frau so nahe zu sein, bloß um sie dann zu verlieren, das war mehr, als ein Mensch verkraften konnte.
Tessa schwieg eine Zeitlang. Dann stand sie auf und trat hinter die Stühle der anderen. „Ich weiß auch nicht, was ich davon halten soll … ich bin mir nur dieser einen Sache sicher, daß ich nämlich diese Büchse öffnen sollte.“
Varian nickte. „Oh, das steht außer Frage. Wir sind uns mittlerweile alle darüber im klaren, daß man uns aus unbekannten Gründen dazu bringen wollte, uns auf diese verdammten … Märchen oder wie immer man sie bezeichnen will einzulassen. Aus irgendeinem Grund testet jemand unsere Reaktionen.“
„Jemand …“ sagte Tessa mit nicht zu überhörendem Zweifel. „Nicht jemand … der Wächter! Es kann gar nicht anders sein!“
„Aber warum?“ fragte Varian. „Und was haben diese Märchen zu bedeuten?“
„Und die Büchse?“ fragte Tessa. „Was sollen wir mit ihr anfangen?“
Stoor lachte. „Wir fangen ja bereits etwas mit ihr an – wir öffnen sie nicht!“
„Und daraus kann der Wächter oder derjenige, der diesen Zirkus veranstaltet, genau das schließen, was er wissen will“, sagte Varian.
Raim kritzelte etwas auf seinen Notizblock: Ich meine, wir sollten den Wächter fragen. Er reichte den Zettel herum und wartete auf Reaktionen.
„Er hat recht“, sagte Stoor. „Die verdammte Maschine hat alle Antworten parat. Was sollen wir hier herumsitzen und uns den Kopf für nichts und wieder nichts zerbrechen? Da könnten wir noch lange grübeln und kämen doch nie zu einer Lösung.“
„Das ist auch meine Meinung“, sagte Varian. „Ich meine, wir sollten uns jetzt auf die Suche nach dem … dem Roboter machen oder zumindest zur Hauptetage gehen und dort die Konsolen befragen. Was haben wir dabei schon zu verlieren?“
„Gerade das frage ich mich“, sagte Tessa.
Die drei Männer starrten sie an.
Sie lächelte nervös. „Nun hört schon auf. Ich versuche nicht, mich hier in Szene zu setzen. Ich hege lediglich so meine Befürchtungen. Denkt doch nur einmal einen Moment lang nach: Meint ihr nicht, der Wächter würde es uns von sich aus sagen … falls er ein Interesse daran hätte?“
Stoor zuckte die Achseln. „Wer weiß schon, was so ’ne Maschine denkt?“
Tessa trumpfte auf. „Also, weiter im Text: Woher wissen wir, daß der Wächter nur von Maschinen in Gang gehalten wird? Stellt euch einmal vor, irgendwo laufen hier immer noch Menschen herum.“
„Aus der Ersten Zeit!?“ Varian schüttelte den Kopf. „Trotz all der Jahre, die inzwischen vergangen sind? Das kann ich nicht glauben. Die hätten sich die ganze Zeit über sicher nicht so still verhalten. Sie wären nach draußen gegangen, um alles wieder aufzubauen, um die Welt zurückzuerobern, die sie verloren haben.“
„Vielleicht“, sagte Tessa. „Ich will uns ja auch nur vor Augen führen, wie wenig wir eigentlich wissen, auf wie wenig wir eigentlich bauen können.“
Stoor saugte an seiner Pfeife, verzog das Gesicht, weil sie ausgegangen war, und klopfte sie auf einem Teller aus, um die Asche loszuwerden. „Zu gütig, Madame!“
„Also …“ sagte Varian. „Wir können die Büchse öffnen, sie ignorieren oder den Wächter suchen … was sollen wir tun? Ich würde das letztere vorschlagen.“
Raim stellte sich neben Varian und nickte.
„Von mir aus auch“, sagte Stoor.
„Ich kann es nicht mit euch allen aufnehmen“, sagte Tessa. „Also, laßt uns den Kerkermeister suchen …“
„Das ist nicht mehr nötig“, sagte eine vertraute Stimme – der Homolog des Wächters.
Alle fuhren gleichzeitig herum, als hätten sie es eingeübt und schenkten dem Roboter ihre Aufmerksamkeit, der jetzt wie ein gütiger, weiser Gentleman an der Türschwelle stand.
„Guten Abend allerseits“, sagte er, trat ins Zimmer und steuerte auf einen
Weitere Kostenlose Bücher