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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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in ihren Gedanken der eine mit dem anderen zu einer einzigen Person.
    Sie lernte die Mädchen und Frauen kennen, die mit ihr am Fließband standen, es ließ sich ja gar nicht verhindern, dass man sich kennenlernte. Sie hörte zu, wenn sie sich in der Pause unterhielten, über ihre Männer, ihre Verlobten, ihre Kinder. Maria selbst sagte nie etwas. Sie hatte keinen Mann, keinen Verlobten, und ihr Kind hatte sie weggegeben.
    In ihrer Halle arbeiteten nur Frauen, aber nebenan bei den Drehbänken gab es auch ein paar Männer, Kriegsversehrte und Krüppel, die man gar nicht erst eingezogen hatte.
    Josef kam im Herbst 1916 in die Fabrik, nachdem er bei Verdun sein rechtes Bein verloren hatte. Er arbeitete dieselbe Schicht wie Maria und wohnte darüber hinaus noch im selben Haus, und wenn er nach der Arbeit neben ihr her nach Hause humpelte, machte er Witze darüber. »Maria und Josef«, spottete er. »Da hört man doch gleich, dass wir füreinander bestimmt sind.«
    Josef war aber viel älter als sie, zweiunddreißig mindestens, er war auch zu klein für ihren Geschmack – einmal ganz abgesehen von dem Holzbein.
    »Sie sind immer so still und sagen kein Wort«, meinte er. »Sind Sie nun schüchtern oder traurig?« Immer wenn er sie sah, versuchte er etwas aus ihr herauszubekommen, über ihre Familie, ihre Vergangenheit, ihre Vorlieben. Sie erzählte aber so gut wie nichts.
    »Am Sonntag ist der 1. Mai«, sagte er, nachdem sie eineinhalb Jahre lang zusammen zur Arbeit und wieder nach Hause gegangen waren. »Wir können doch einmal tanzen gehen.« Er schlug es natürlich nur zum Spaß vor, mit seinem Holzbein konnte er ja gar nicht tanzen. Aber aus irgendeinem Grund ging sie darauf ein. Vielleicht war es das gute Wetter, der milde Frühling nach dem harten Winter. Vielleicht war es die Erinnerung an Tübingen und an Quirin.
    Sie nahmen den Pferdeomnibus, obwohl es bis zu dem Tanzlokal nur ein kleines Stück war, das man gut zu Fuß gehen konnte, doch für sein Holzbein war es zu weit.
    Sie setzten sich an einen der langen Holztische unter den Kastanien, es gab keinen Wein, nur sauren Apfelmost, weil Krieg war. Er schlug eine Zeitung auf, die jemand auf dem Tisch liegen gelassen hatte. »Sammelt für das Heer!«, las er laut vor. »Aluminium, Nickel, Kupfer, Messing. Abzugeben an allen Sammelstellen.«
    »Aluminium und Kupfer«, wiederholte sie verächtlich. »Wer hat das denn noch, heutzutage? Sogar die Blitzableiter haben sie schon von den Dächern geholt.«
    »Obstkerne«, las Josef weiter. »Ausgekämmtes Frauenhaar. Sammelt für unsere Männer.«
    »Frauenhaar? Das haben Sie sich ausgedacht.«
    Sie zog die Zeitung zu sich heran und starrte auf die Stelle, die er ihr zeigte. »Obstkerne zur Ölgewinnung. Frauenhaar zur Textilherstellung. Tatsächlich«, murmelte sie. »Wenn wir uns nur alle fleißig kämmen und ordentlich Kirschen essen, werden wir den Krieg gewiss gewinnen.«
    Er lachte, aber es klang nicht fröhlich. »Wenn Sie mit jemandem tanzen möchten, tun Sie sich keinen Zwang an«, wechselte er dann das Thema.
    »Nein, nein.«
    »Warum wollen Sie nicht tanzen? Es ist das beste Mittel gegen Trübsal und böse Erinnerungen, glauben Sie mir.«
    Maria zuckte nur mit den Schultern. Er zündete sich eine Buchenlaubzigarette an und sog den Rauch so tief ein, dass sich sein schmaler Brustkorb hob.
    »Mir ging es auch einmal so wie Ihnen«, sagte er dann, ohne sie dabei anzusehen. »Ich wollte sterben vor lauter Verzweiflung und Überdruss.«
    Sie malte eine Schlangenlinie in den gelben Blütenstaub auf dem Tisch. »Als man Ihnen Ihr Bein abgenommen hat?«
    »Die Amputation habe ich gar nicht gemerkt. Ich war besinnungslos. Glücklicherweise. Irgendwann bin ich aufgewacht,und der Kamerad neben mir hat es mir gesagt. Ich konnte es nicht glauben, bis ich die Bettdecke zurückgeschlagen habe, da war es offensichtlich. Ich konnte das Bein doch noch spüren, es brannte wie Feuer. Es brennt immer noch, besonders in den Zehen, aber nicht mehr die ganze Zeit.«
    Sie nickte, obwohl es natürlich unvorstellbar war.
    »Ich hatte ein Mädchen damals. Nach dem Krieg wollten wir heiraten«, fuhr er fort. »Aber das ist inzwischen vorbei.«
    »Ihre Freundin hat Sie verlassen, weil Sie ein Bein verloren haben?«, fragte Maria. »Dann war sie es aber auch nicht wert. Seien Sie froh, dass Sie sie los sind.«
    Er rieb sich mit der Hand über das Kinn. »Das sagt sich so leicht. Aber man kann es ihr nicht verdenken. Die Sache hat mich so

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