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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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verändert. Ich bin … nicht mehr der Mann, in den sie sich damals verliebt hatte.«
    Das wiederum konnte Maria nur zu gut verstehen. Dass einen eine Sache so veränderte, dass man sich selbst nicht wiedererkannte.
    »Was ich damit sagen will«, meinte Josef, »versuchen Sie, Ihrer Trübsal zu entfliehen! Tanzen Sie, auch wenn Ihnen nicht danach zu Mute ist! Lächeln Sie! Singen Sie! Irgendwann folgen Ihre Gedanken Ihren Handlungen, und dann wird alles besser. Was geschehen ist, lässt sich nicht wiedergutmachen. Es ist vorbei.«
    Es ist nicht vorbei, dachte Maria und spürte plötzlich, dass sie ärgerlich wurde, dabei war das unsinnig, er wollte ihr doch nur helfen und war selbst ein armes Schwein.
    »Was denken Sie?«, fragte er behutsam, und sein sanfter Ton machte sie noch wütender.
    »Es ist nicht so wie bei Ihnen«, brach es auf einmal aus ihr heraus. »Ich habe mehr verloren als nur ein Bein!«
    »Was?«, fragte er. »Was haben Sie verloren?«
    Sie blickte auf und sah ihn an und bemerkte zum ersten Mal, dass er blaue Augen hatte. Seine Augenbrauen waren zwei schwungvolle Bögen, die sich über der Nasenwurzel fast berührten.
    Sie erzählte ihm alles. Von Ludwig und Mirabella und Mirko, von Quirin und Heiligenbronn und was für eine Mutter sie war. Es dauerte eine ganze Weile lang, weil sie furchtbar wirr erzählte, aber er hörte geduldig zu.
    »Aber das ist Unsinn«, sagte er, als sie ihren Bericht beendet hatte. »Die Nonnen haben kein Recht dazu, Ihre Tochter zu behalten.«
    »Ich habe es doch unterschrieben, dass ich sie aufgebe.«
    »Dennoch. So schnell verliert man sein Kind nicht. Sie müssen noch einmal hinfahren. Sprechen Sie mit der Oberin und drohen Sie ihr mit einem Gerichtsverfahren, falls sie das Kind nicht hergeben.«
    »Mit einem Gerichtsverfahren? Von so etwas habe ich doch überhaupt keine Ahnung.«
    »Die Nonnen wahrscheinlich auch nicht. Vielleicht geben sie gleich klein bei und rücken das Kind heraus.«
    Maria dachte an die Brillenaugen, so verschwommen und doch so hart, und schüttelte den Kopf.
    »Wenn Sie wollen, helfe ich Ihnen«, sagte Josef. »Ein Großonkel von mir ist Advokat in München. Vielleicht kann er Ihnen ein Schreiben formulieren, das die Klosterleitung einschüchtert.«
    Maria zögerte. Was versprach sich Josef davon, dass er ihr half?
    »Ich werde mich einfach einmal bei ihm erkundigen«, sagte er.
     
    Es dauerte sechs Wochen, bis die Antwort des Advokaten in Karlsruhe eintraf. Maria kannte nur die Hälfte der Worte in seinem Brief, und auch die begriff sie nicht richtig. Sie verstand nur so viel, dass der Anwalt das Kloster Heiligenbronn aufforderte, das Mädchen Mirabella unverzüglich in die Obhut seiner leiblichen Mutter und Erziehungsberechtigten Maria Schwarz zurückzugeben. »Aber was ist mit dem Schriftstück, das ich unterschrieben habe?«, meinte sie dann.
    »Das müssen sie uns erst einmal vorlegen, dann sehen wir weiter«, sagte Josef. Wir sagte er, das gefiel ihr nicht. Er bot ihrauch an, sie nach Heiligenbronn zu begleiten, doch sie lehnte ab, weil sie an Mirko dachte. Damals ein Zwerg, nun ein Krüppel. Nein, sie musste den Weg allein machen.
    Sie nahm sich drei Tage Urlaub wegen familiärer Angelegenheiten. Der Zug fuhr wegen des Krieges nur noch bis Freudenstadt, die restlichen Kilometer ging sie zu Fuß. Je näher sie dem Kloster kam, desto langsamer ging sie. Sie hatte Mirabella dreieinhalb Jahre nicht mehr gesehen. Damals war sie acht gewesen, jetzt war sie elf. Wie würde sie aussehen? Ob sie mich wiedererkennt, murmelte Maria, während sie einen Waldweg einschlug, eine Abkürzung zum Kloster, wie man ihr im Dorf gesagt hatte. Ob sie sich überhaupt an mich erinnert? Als sie den Wald wieder verließ, sah sie die Klosteranlage hinter den Feldern. Ihr Herz schlug auf einmal so heftig, dass sie stehen bleiben musste.
    »Heilige Mutter Gottes, lass mich nicht im Stich«, flüsterte sie. »Gib mir meine Mirabella zurück. Deinetwegen hab ich sie überhaupt hierher gebracht.«
    Nur dieser Gedanke, diese Gewissheit, dass die Muttergottes ihr beistand, gab Maria die Kraft, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Bis zur Klosterpforte und dann, geleitet von einer dicken Nonne, in dasselbe Besprechungszimmer, in das man sie und Mirko vor zweieinhalb Jahren gebracht hatte.
    Das Gespräch mit der Oberin war auch diesmal sehr kurz, noch kürzer als die Unterredung damals. Maria legte ihr den Brief des Münchner Advokaten hin und brachte stammelnd ihre

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