Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
Vom Netzwerk:
schlug einem Mann mit Schiebermütze mit der Faust ins Gesicht. Der Kopf flog nach hinten, die Schiebermütze zu Boden. Zwei Kommunisten warfen einen Nazi zu Boden und traten auf ihn ein. Einer der Braunhemden zückte ein Messer. »Zu Hilfe!«, schrie eine Frauenstimme irgendwo im Getümmel. »Polizei!« Der Mann mit den Apfelbacken rannte an Maria vorbei. Seine Nase blutete, sein Schnurrbart war eine rote Beule über der Oberlippe.
    Es war furchtbar. Es war barbarisch. Derartige Auseinandersetzungen gab es jetzt ständig. Links die einen, rechts die anderen, das Einzige, was die beiden Seiten miteinander verband, war diese Lust am Zuschlagen, am sich Prügeln. Als ob das ihr einziges Ziel wäre: den politischen Gegner in Grund und Boden zu hauen.
    Eine Woche standen die Nazis vor dem Warenhaus und protestierten gegen die Juden, und in der nächsten Woche waren es die Kommunisten, die gegen die reichen Bonzen agitierten. Die SA-Leute und ihr Jungvolk in ihren kurzen Hosen, den Uniformhemden und Krawatten, sie waren Maria noch widerlicher als die Kommunisten, aber im Grunde waren es doch die Linken mit ihrer Wichtigtuerei, die die Nazis überhaupt zur Geltungbrachten. Wenn heute keiner von ihnen aufgetaucht wäre, wäre die Belagerung der Rechten irgendwann im Sande verlaufen, ohne großes Aufheben, ohne große Wirkung, dachte Maria.
    Vor ihr ging wieder einer der Kommunisten zu Boden. Seine Augen starrten einen Moment lang erstaunt in den blauen Himmel über dem Warenhaus. Dann drehte er den Kopf zur Seite. Hellrotes Blut quoll aus einer Platzwunde über seiner rechten Augenbraue, einer seiner Schneidezähne war nach hinten geschlagen. Es war der junge Mann, mit dem Maria Mirabella im Hofgarten gesehen hatte. Ihr Liebhaber, der Klavierspieler. Jedenfalls sah er ihm ähnlich. . …
    Sie spürte, wie sie jemand von hinten an der Schulter packte, und wich erschrocken aus, einen Schritt nach vorn, ins Kampfgetümmel. Fast hätte sie einer der Männer mit der Faust erwischt. Dann hörte sie einen Schrei und bemerkte hinter sich die offene Tür, eine schmale Pforte im großen Warenhauseingang. Ein Ladenmädchen blinzelte durch die Öffnung, mit weiten, erschrockenen Augen. »Kommen Sie herein!« Maria las es mehr von ihren Lippen, als dass sie es verstand.
    Mit zwei schnellen Schritten war sie im Kaufhaus.
     
    »Wir halten so lange geschlossen, bis der Aufruhr vorüber ist«, erklärte das Mädchen atemlos, während sie Maria zum Büro von Herrn Goldmann brachte. Das Kaufhaus war eine stille Unterwasserwelt, die langen Gänge zwischen den Nussbaumregalen flossen ins Dunkle, denn bevor Kundschaft im Haus war, schaltete man die Deckenbeleuchtung nicht an. Hinter den Verkaufstheken standen die Verkäufer in Gruppen zusammen und plauderten lautlos wie Fische.
    »Aber dann habe ich Sie im Eingang gesehen, und es sah so heikel aus, dass ich …«
    »Vielen Dank«, sagte Maria nun schon zum dritten Mal. Sie rückte ihren Hut gerade und strich den Rock glatt. Am liebsten hätte sie noch einen Blick in einen Spiegel geworfen, bevor sie Herrn Goldmann gegenübertrat, doch dafür war keine Zeit mehr.
    »Der Herr Goldmann erwartet sie schon.«
    »Ich weiß, aber da war ja kein Durchkommen.«
    »Ein Glück, dass ich Sie da draußen gesehen habe.«
    »Vielen Dank«, sagte Maria erneut, während sie in einen der kleinen Lichthöfe traten. Vor dem Fahrstuhl stand der Liftboy und bohrte in der Nase. Als er sie sah, zog er den Finger erschrocken heraus und schob das Gitter zurück. »In den vierten«, sagte das Mädchen verächtlich und blickte dabei durch ihn hindurch, als wäre er aus Glas.
    Im vierten Obergeschoss war der Boden nicht mit geöltem Eichenparkett bedeckt, sondern mit braunem Rips. Die Wände hatten Tapeten aus Papier. Das Mädchen klopfte an eine der vielen Türen, nach der Aufforderung schob sie Maria in den Raum, ohne selbst einzutreten.
    Herr Goldmann war keine große Nummer. Man erkannte es direkt an seinem Schreibtisch aus gebeiztem Nadelholz, an der windschiefen Schreibtischlampe und dem kleinen vergitterten Fenster. Die wirklich wichtigen Männer hatten Möbel aus Mahagoni und Perserteppiche und große Fenster mit Blick auf den Hindenburgwall, das wusste Maria, denn sie hatte einmal einen Blick in das Büro des Personalchefs geworfen, als sie sich im Vorzimmer um eine Anstellung beworben hatte, die sie dann nicht bekommen hatte. Selbst die Schreibdamen in der Personalabteilung waren besser eingerichtet als Herr

Weitere Kostenlose Bücher