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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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vor einem Jahr dazugekommen war, nachdem Walter aus der Freien Erde weggezogen war. Das Haus, in dem Karl jetzt wohnte, nannten sie immer noch Helmas Haus, obwohl Helma nun schon mehr als drei Jahre tot war.
    Vielleicht war Walter deshalb weggegangen.
    »Das ist doch das Beste, was passieren konnte. Das Kapital zerfällt. Geld ist nichts mehr wert. Es lebe die Anarchie!«
    Karl reckte die Faust in die Höhe und wartete darauf, dass Ottmar mitmachte, aber der druckste nur ein bisschen herum und ging dann weg.
    Am nächsten Morgen hatte Greta rot verweinte Augen, am Nachmittag erzählte sie Ludwig, dass Ottmar ebenfalls Aktien besessen hatte. »Unser ganzes Erspartes hat er angelegt«, klagte sie. »Ohne mir auch nur einen Ton davon zu sagen. Was sollen wir denn jetzt machen?«
    Ludwig starrte hilflos auf seine Hände, während sie in Tränen ausbrach. Sie konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Zuerst beweinte sie das verlorene Geld und dann ihre Einsamkeit und dass sie keine Kinder bekam und dass sie ihre Eltern seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. »Jesus und Maria«, schluchzte sie. Das sagte sie immer, wenn sie aufgewühlt war, obwohl sie in einer Anarchistensiedlung lebte. »Wie soll es denn jetzt nur weitergehen?«
    Ludwig räusperte sich, aber es nützte nichts, ihm fiel nichts ein, was er ihr hätte sagen können. Also wartete er nur ab, bis sie zu Ende geweint hatte. Später steckte er ihr einen Umschlag mit hundert Mark zu, die er sich im Laufe der Zeit zusammengespart hatte. Sie wollte das Geld zuerst nicht annehmen, doch er drehte sich einfach um und ging weg. Da steckte sie es ein.
     
    Alle erwarteten jetzt eine Inflation. Wie damals nach dem Krieg, als das Geld mit jedem Tag an Wert verloren hatte. Aus 10 Mark wurden 100 und dann 1000 und dann 1   000   000, die Geldscheine wurden immer größer, damit die vielen Nullen noch Platz hatten, und dann hörte man auf, Nullen zu drucken, und schrieb den Zahlenwert nur noch aus. Als eine Briefmarke 4 Milliarden Mark kostete, kam die Währungsreform. Da sammelte Ludwigs Hauswirt in Berlin all sein restliches Geld in einem großen Sack und warf es in den Kamin. »So habe ich zumindest den Brennwert«, erklärte er Ludwig, der gekommen war, um seine Miete zu bezahlen. 3 Billiarden für eine Woche, den Geldschein warf der Hauswirt gleich hinterher. »Nächste Woche in richtigem Geld«, meinte er dann, obwohl die neue Währung ja jetzt schon galt, aber er war ein großzügiger Mensch.
    Das war 1923 gewesen, aber nun war 1929, und alle hatten dazugelernt. Die Politiker und Bankiers hatten gelernt, dass man nicht zu viel Geld in Umlauf bringen durfte, sonst verlor es seinen Wert. Die Unternehmer hatten gelernt, dass in der Inflation die Löhne ins Bodenlose stiegen, also entließen sie so viele Arbeiter wie möglich und kürzten den anderen die Gehälter. Die Arbeiter, Angestellten und Hausfrauen hatten gelernt, dass man dem Staat und den Unternehmern nicht trauen konnte. Weil keiner mehr Geld hatte, kaufte man nur noch das Nötigste. Dadurch fielen die Preise, was die Leute dazu brachte, noch weniger auszugeben, denn je länger sie warteten, desto weniger mussten sie bezahlen.
    Das Geld wurde nicht weniger wert, sondern mehr und mehr und mehr. Dafür verfiel der Wert der Waren. Die kleinen Händler und die großen Fabriken machten zuerst keine Gewinnemehr und dann Pleite. In Düsseldorf gab es jetzt fast so viele Arbeitslose wie Beschäftigte. »Deflation«, sagte Ottmar, der gleich Anfang November seine Arbeit verloren hatte. »Wenn das noch lange so weiter geht, kriege ich die Motten.«
    Im Grunde jedoch wusste er genauso gut wie alle anderen, dass es gerade erst angefangen hatte.
    Ludwig, Karl und Werner hatten als Einzige noch Arbeit in der Siedlung. Die anderen wurden nach und nach entlassen und hockten von morgens bis abends in der großen Küche in Helmas Haus und rauchten billige Zigaretten aus Tabak, den sie im Garten gezogen und auf dem Ofen getrocknet hatten. Wenn sie nicht gerade in der Stadt waren und kämpften.
    Rechts waren die Faschisten, links waren die Kommunisten und die Sozialisten, die Demokraten, die Liberalen, die normalen Anarchisten und die Anarchosyndikalisten und unzählige andere Gruppierungen und Vereinigungen. »Wenn wir uns zusammentäten und gemeinsam kämpften, dann wären wir den Nazis doch überlegen«, sagte Ludwig einmal, das einzige Mal, dass er sich in der Küche zu den anderen gesetzt und mitgeredet hatte.
    »Ja, aber mit den

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