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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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Kommunisten ist nichts anzufangen. Die träumen von ihrer Diktatur des Proletariats«, erwiderte Werner. »Und die von der SPD sind doch genauso schlimm wie die Faschisten.« Er grinste, dann begann er zu singen. »Wir schlagen Schaum. Wir seifen ein. Wir waschen unsre Hände wieder rein.« Das war sein Lieblingslied, das Seifenlied, mit dem die Ultralinken die SPD verspotteten, die beim letzten Wahlkampf Seifenstücke mit der Prägung WÄHLT SPD! verteilt hatten.
    Die anderen lachten finster und atmeten zornige weiß-gelbe Rauchwolken aus, die den ganzen Raum vernebelten. Sie waren überzeugt, dass nur sie den einzigen Weg zur richtigen Lösung kannten. Sie taten sich mit niemandem zusammen, sondern zogen allein los und ließen sich von den Nazis verprügeln, deren Schlägertruppen viel besser organisiert und aufgestellt waren als die Linken.
    Anfang Februar wurde Werner ohnmächtig geschlagen, zwei SA-Burschen hätten ihn totgetreten, wenn nicht im letzten Moment die Polizei eingegriffen hätte. Danach war er auf dem rechten Auge blind und hörte nicht mehr gut. In seinem Beruf als Drucker konnte er nicht mehr arbeiten. Das machte seine Wut nur noch größer. Auf die Nazis. Auf die Kommunisten. Auf die SPD. Auf die Unpolitischen sowieso. Er hasste sie alle.
     
    Es war ein Krieg mit unzähligen Fronten. Die Nazis gegen die Kommunisten, die Kommunisten gegen die Sozialdemokraten, die Sozialdemokraten gegen die Anarchisten, die Anarchisten gegen die Nazis. Man schlug aufeinander ein, zuerst mit Worten, dann mit Fäusten, dann mit Waffen. Wohin das führte? Es war keine Frage. Erst war der Krieg im Land und wuchs und breitete sich aus, dann würde er über die Grenzen schwappen und den gesamten Kontinent ausfüllen und am Ende die ganze Welt. So war es beim letzten Mal gewesen, und so würde es wieder sein.
    Ludwig hatte keine Angst um sich, er hatte es hinter sich, er würde in keinen Krieg mehr ziehen, eher brachte er sich um. Er hatte Angst um Mira, die jung und ahnungslos war und seine Tochter. Einmal versuchte er, sie zu warnen. »Hüten Sie sich«, sagte er. »Es wird einen neuen Krieg geben.«
    »Wie kommen Sie denn auf so etwas?«, fragte Mira.
    Wer die Gräuel vergisst, rennt alsbald wieder in das gleiche Unglück, erklärte er ihr und machte ihr Angst damit, aber sie verstand nicht, was er von ihr wollte. Er wusste ja selbst nicht, was er wollte. Was sollte sie tun? Ihre Sachen packen und fliehen? Nur wohin? Wenn es war wie beim letzten Mal, würde die ganze Welt in Flammen stehen. Frankreich, England, Palau, vielleicht sogar die Schweiz.
    Im Sommer 1929 verlor Mira ihre Arbeit in der Rheinterrasse. Danach fand sie zwar schnell eine neue Stelle, im Kurfürsteneck auf der Flinger Straße, doch nur für drei Tage die Woche und für viel weniger Lohn. »Es reicht aber«, sagte sie. »Und esist sogar gut, dass ich nicht mehr so viel arbeiten muss, dadurch habe ich Zeit für andere Dinge.«
    Denn sie setzte sich jetzt mit aller Kraft für die kommunistische Sache ein. Die Ortsgruppe hatte nach sowjetischem Vorbild ein politisches Straßentheater gegründet, Agitprop nannte man das in der Partei, und dabei machte sie mit. Nordwest ran hieß die Truppe, die zuerst nur in Düsseldorf auftrat und dann im ganzen Ruhrgebiet und am Niederrhein. »Ich hätte gar nicht geglaubt, dass ich schauspielern kann«, erzählte sie Ludwig aufgeregt, nachdem die Gruppe zum ersten Mal zusammengekommen war. »Aber wenn man einmal angefangen hat, dann geht es erstaunlich gut.«
    Nordwest ran jedoch schauspielerte gar nicht, erkannte Ludwig, als er die Truppe bei einem Auftritt in Gerresheim erlebte. Die Darsteller verkörperten keine Charaktere, sondern Ideen, Prinzipien, Klischees. Wer an der Reihe war, stellte sich vors Publikum und brüllte seinen Text heraus, so dass es auch der letzte Schwerhörige verstand. Und für diejenigen, die ganz taub waren, waren die wichtigsten Punkte noch einmal auf Transparente geschrieben worden.
Nieder mit dem Kapitalismus!
stand da und
Proletarier voran!
Das waren im Übrigen auch die beiden zentralen Inhalte der Vorführung, die den Zuschauern wieder und wieder eingehämmert wurden.
Nieder mit dem Kapitalismus! Proletarier voran!
    Mira spielte keine große Rolle auf der Bühne, einmal hielt sie ein Transparent hoch, ein anderes Mal trat sie mit einem Sprechchor auf. Ludwig merkte ihr aber an, dass sie dennoch furchtbar aufgeregt war. Ihre Stirn glänzte vor Schweiß, obwohl es ein kühler

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