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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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Würstchen mit Senf und tranken Bier. Die Männer rauchten Pfeife, und alle Frauen hatten kurzes Haar, bei einigen war es einfach nur in Kinnhöhe abgeschnitten wie bei Mira, bei anderen fiel es in einer sanften Wasserwelle vom Scheitel auf die Wange.
    Nero Battaglia war nirgendwo zu sehen. Er passte auch gar nicht hierher, dachte Mira, in diese Menge aus lauten, frohen Menschen. Warum er wohl hier lebte?
    Sie wurde einfach nicht schlau aus ihm, manchmal wirkte er so wirr und verstört, und dann war er wieder glasklar. Sie fragte sich, was er an ihr fand und was sie an ihm fand.
    Da war dieses Gefühl, dass sie ihn beschützen musste. Aber das war nicht alles.
    »Heute Morgen haben wir’s ihnen ordentlich gegeben«, tönte hinter ihr eine Männerstimme. »Normalerweise bleiben die immer zusammen, aber heute haben sich ein paar abgespalten, und unten am Rhein haben wir sie erwischt. Drei Faschisten und wir, die haben die Dresche für den Rest gleich mitbekommen. Hoffentlich geben sie’s weiter.«
    Mira warf einen Blick über die Schulter. Der Kerl war nicht viel größer als sie, recht kräftig gebaut, aber er sah nicht auswie ein Schlägertyp. Mit welcher Begeisterung er das erzählte. Eine Horde Anarchisten auf drei Nazis.
    Auf der Bühne kamen die Musiker richtig in Fahrt. Der Klarinettist bog sich nach vorn und hinten, als habe er Schmerzen. »Alles Schwindel, alles Schwindel, überall wohin du guckst, und wohin du spuckst«, sang der Banjospieler. Mira konnte nicht mehr hören, was die Männer hinter ihr redeten, als sie sich umdrehte, war der bullige Kerl auch nicht mehr da. Während sie wieder nach Nero Battaglia Ausschau hielt, trat ein junger Mann vor sie und forderte sie zum Tanz auf. Sie wollte ablehnen, aber zu ihrer eigenen Überraschung nickte sie.
    Und es war gut so, dachte sie, als sie mit dem völlig Fremden über das frisch gemähte Gras tanzte. Es war irgendeiner dieser neuen Tänze, die Gudrun ihr immer wieder zeigte. Boston, Tango, Rumba, sie konnte sie nicht auseinanderhalten, aber sie beherrschte die Schritte einigermaßen. »Ich habe Sie noch nie hier gesehen«, sagte ihr Tanzpartner. »Wohnen Sie hier in der Freien Erde?«
    »Nein«, erwiderte sie kurz und drehte sich von ihm weg, weil es der Tanzschritt so wollte und sie selber auch. Er verstand oder auch nicht, in jedem Fall hörte er auf zu reden.
    Danach spielten sie einen Charleston, den tanzte man allein, und weil Gudrun es ihr gezeigt hatte, wusste Mira auch, wie es ging. Nach dem Charleston war Otto wieder zurück, er stellte die beiden Gläser auf ein leeres Bierfass und tanzte mit ihr.
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie das können«, meinte er.
    »Gudrun hat es mir beigebracht.«
    »Wie geht es ihr, Gudrun? Ich habe sie lang nicht mehr gesehen.«
    »So lala. Aber sie ist jetzt wieder frei.«
    »Ist sie das?«, fragte Otto beiläufig.
    »Sie hat ihre lesbische Geliebte verlassen. Es war ihr am Ende wohl doch nicht ernst damit.«
    »Tatsächlich?« In Ottos Stimme lag mit einem Mal eine solche Erregung, eine Spannung, die sich auf Mira übertrug und sie fast zum Stolpern brachte. Es war, als ob ihr Körper von einemMoment zum anderen zum Bersten voll Leere war. Also doch, dachte sie. Mehr Worte brachte ihr Gehirn nicht zustande.
    Otto beugte sich zur Seite und streckte seinen Arm aus, Mira ließ sich nach hinten fallen, über ihr schwang die Mondsichel von links nach rechts und wieder zurück. Pampadampadampadam, sang der Mond und grinste spöttisch. Die Geige schluchzte dazu. Sie fühlte sich auf einmal vollkommen betrunken, obwohl sie ihr Bier noch nicht einmal angerührt hatte.
    Dann sah sie Nero Battaglia, der jetzt dort stand, wo sie vorhin gestanden hatte, und ihnen beim Tanzen zusah. »Tanzen Sie mit mir!«, rief sie ihm zu, als der Tango zu Ende war.
    »Ich kann es aber nicht«, gab er zurück.
    »Dann bring ich es Ihnen bei«, meinte sie.
    Otto zog sich mit einem Lächeln zurück, und Nero kam zu ihr. Zum Glück gab es jetzt wieder eine Rumba, das ging schön langsam. Sie versuchte, ihm die Schritte zu erklären, aber er hielt sie nur fest und verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, hin und her, und bewegte sich dabei langsam vorwärts. Und sie machte es genauso.
    Auf diese Weise tanzten sie auch den folgenden Boston und sogar einen Walzer. Ihre rechte Hand und seine linke lagen ineinander, seine rechte Hand lag auf ihrer Schulter. Einszweidreieinszweidrei ging die Musik, Mira legte ihren Kopf an seine

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