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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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von Flöhen und Ohrenkneifern wimmelte. In die Scheuer geht er nur mit solchen wie mir, dachte Maria. Die Neue aber ist ihm heilig, die wird erst geheiratet, ehe er sie nimmt.
    Dennoch schlug sie nicht den Weg zur Stöckenburg ein, sondern ging nach links zur Bühler hinunter. Nach dem vielen Regen der letzten Wochen war das Gestrüpp und Unkraut auf beiden Seiten des Trampelpfads so gewuchert, dass es schon tagsüber schwierig war, sich einen Weg zu bahnen. Ein blasser Halbmond hing am sternenlosen Himmel, dessen kraftlose Strahlen oben auf dem Blätterdach liegen blieben wie weißer Staub. Nasse Blätter schlugen Maria ins Gesicht, als sie sich einen Weg bahnte, Brombeerranken griffen nach ihrer Strickjacke, Brennnesseln schlugen um ihre nackten Waden und verbrannten ihre Hände. Einmal rutschte sie aus und lag lang gestreckt rittlings auf dem nassen Boden. Sie rappelte sich wieder hoch. Weiter, immer weiter, nur nicht stehen bleiben, nur nicht darüber nachdenken, was sie tat, wohin sie rannte.
    Die Zelte lagen noch auf dem Anger vor der Stadtmauer, und über dem Eingang baumelte noch das große Schild.
Zirkus
Lombardi.
Maria atmete auf und merkte erst jetzt, dass sie die ganze Zeit befürchtet hatte, sie nicht mehr vorzufinden. Als sie aus dem Schatten der Bäume auf die Wiese trat, schlugen im Zirkusdorf die Hunde an. Maria sah plötzlich die niedlichen kleinen Pudel vor sich, die in der Manege Stöckchen apportiert hatten. Vielleicht verwandelten sie sich nach der Vorstellung in scharfe Wachhunde. Das Bellen wurde immer lauter, jetzt meldeten sich auch schon ein paar Hunde im Städtle. Sie musste hier weg, sonst würde man auf sie aufmerksam werden.
    Sie zog sich wieder unter die Bäume zurück. Wie spät mochte es sein? Mitternacht, vielleicht ein Uhr? Es würde in jedem Fall noch lange dauern, bis es hell wurde.
    Maria ließ sich unter einer Tanne in die Hocke sinken, dann setzte sie sich auf die trockenen Nadeln. Das Gewirr der Tannenzweige über ihr verschmolz mit dem Schwarz des Himmels. In einem Ausschnitt stand der Mond, eine magere Sichel, umgeben von einem weißgelben Vorhof, an dem die Finsternis nagte. Den Stamm im Rücken umschlang sie ihre Beine mit den Armen, legte das Kinn auf die Knie und begann zu warten. Ihre Beine und ihre Hände waren heiß und angeschwollen von den Brennnesseln, aber nach einer Stunde spürte sie das Brennen nicht mehr.
    Als sie aufwachte, war das ganze Zeltdorf in Bewegung. Die Spitze des großen Zeltes knickte soeben ein, die Stange mit den bunten Wimpeln, die oben angebracht war, kippte nach vorn, fiel auf Maria zu, aber dann blieb sie mitten in der Luft hängen, als hielten sie unsichtbare Hände fest. Männer rannten von links nach rechts und von rechts nach links, sie hielten Zeltplanen in den Händen, die sie nach einem geheimen Plan aufeinanderlegten und zusammenschlugen. Vier der kleinen Zelte hatten sie bereits in lange runde Pakete verwandelt, aber Madame Argents Zelt stand noch, stellte Maria mit Erleichterung fest, als sie nähertrat.
    Ihr Körper fühlte sich an wie zerschlagen, ein pochender Schmerz zog sich vom Rücken in die Beine. Und sie war so schmutzig! Der Rock, der nass und lehmig geworden war, alssie nachts durch den Wald gelaufen war, war von einer Schicht dürrer Tannennadeln überzogen, Maria wischte mit den Händen darüber, aber sie hatte das Gefühl, dass sie den Dreck dadurch nur noch mehr in den Stoff rieb.
    »He, holla! Aufgepasst!« Neben ihr knallte eine Metallstange zu Boden und blieb scheppernd liegen. Im letzten Moment war Maria zur Seite gesprungen. Sie blickte nach oben und begegnete dem wütenden Blick eines Mannes auf einer Leiter. »Keine Besucher mehr. Verschwinde!«, schrie er. Seine Hände bewegten sich, als verscheuche er ein Huhn, wodurch er fast von der Leiter fiel. »Weg, weg!«, hörte Maria ihn noch schreien, während sie zwischen den zusammenfallenden, einstürzenden Zelten hindurcheilte, als wäre sie auf der Flucht vor einem Erdbeben. Sie erreichte das Zelt von Madame Argent, der Perlenvorhang hing jetzt nicht mehr vor dem Eingang. Es war leer.
    »Da bist du ja endlich.«
    Die Stimme war direkt hinter ihr. Maria fuhr herum und riss instinktiv die Hände hoch. »Madame Argent!«
    Die Wahrsagerin musterte sie aus schmalen schwarzen Augen. »Was willst du?«
    »Ich …« Maria zögerte einen Moment lang. »Haben Sie mich … erwartet?«
    »Gewissermaßen.« Madame Argents Augen glitzerten spöttisch, aber ihre Miene war

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