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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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tobten, bis sie sich langsam wieder beruhigten und schließlich verebbten.
    In den zehn Minuten, in denen man dann wieder auf den nächsten Wellengang wartete, strampelte man sachte mit den Beinen und unterhielt sich, sofern man jemanden hatte, mit dem man sich unterhalten konnte.
    Mira fuhr mit der Elektrischen bis zum Planetarium, dann ging sie durch die Parkanlage des Kunstmuseums zum Gesolei-Gelände. Hier war alles in Auflösung begriffen. Einige Hallen waren schon weg, andere wurden gerade abgebaut. Überall fuhren Lastkraftwagen und seltsame Raupenfahrzeuge auf den Wegen und auf den Flächen zwischen den Gebäuden. Die Fahrzeuge durchpflügten dröhnend den matschigen Lehmboden, wendeten und drehten sich wie große, gefährliche Tiere, denen man besser nicht zu nahe trat. Dazwischen brüllte sich eineHandvoll Männer über dem Motorenlärm Befehle zu, es war wie ein Krieg, Mensch gegen Maschine.
    Von einer der Hallen auf der Rheinseite hatte man soeben die Vorderfront abgetragen. Mira starrte in das Innere des Ausstellungsgebäudes. Es war das Bayerische Haus, in dem man ein Alpendorf simuliert hatte. An der Rückwand leuchteten noch die hohen Berge im gemalten Sonnenuntergang, davor reckten sich künstliche Tannen zur Decke und Holzhäuser mit Butzenscheiben. Ein Holzbalkon, auf dem während der Ausstellung Schuhplattler-Tänzer in Lederhosen hin- und hergesprungen waren, ragte sinnlos in die leere Halle. Im Sommer hatten die Besucher hier an weiß gedeckten Tischen gesessen und Brezeln gegessen und trübes bayrisches Bier getrunken.
    Es hatte etwas Obszönes, dieses aufgerissene Gebäude, es war wie der Blick in eine offene Wunde. Mira wandte die Augen ab und klemmte ihre Tasche enger an den Körper.
    In der Tasche war ihr neuer dunkelroter Badeanzug mit den weißen Streifen an den Ärmeln, den ihr Gudrun nach ihrem letzten Ausflug ins Wellenbad geschenkt hatte. »Man trägt jetzt kurz«, hatte sie Mira erklärt. »Dein Badekleid kannst du Frau Anschütz schenken.« Das war der zweite Grund, warum Mira heute ins Wellenbad ging. Weil sie den Badeanzug noch kein einziges Mal getragen hatte, seit sie ihn bekommen hatte. »Irgendwann passt er dir nicht mehr«, hatte Gudrun vor kurzem mit einer Spur Gekränktheit in der Stimme gesagt.
    Sie zog sich in einer der Umkleidekabinen um, die nach feuchtem Holz roch, obwohl um diese Zeit alles noch trocken war. Als sie den Badeanzug zu Hause anprobiert und Gudrun vorgeführt hatte, war er ihr schon eng vorgekommen, aber hier, in der düsteren Enge der Kabine, klammerte er sich an ihren Körper wie eine fremde Haut. Sie betrachtete misstrauisch ihre weißen Oberarme, die aus den kurzen Ärmeln des Oberteils hervorzuquellen schienen. »Im Wasser weitet sich der Stoff«, hatte Gudrun ihr versichert. Mira stülpte ihre Bademütze über, schloss das Kinnband und drehte den Kopf vor dem angelaufenen Spiegel neben der Tür hin und her. Ihr langes Haar drücktedie Haube nach oben, dadurch wirkte ihr Hinterkopf seltsam unförmig.
    Bademützen waren etwas für Kurzhaarige, dachte sie, während sie zur Schwimmhalle ging. Und moderne Badeanzüge waren etwas für hochgewachsene, schlanke Körper, aber ihr eigener bleicher, untrainierter Körper hatte sich in dem knielangen Badekleid, das sie früher getragen hatte, viel wohler gefühlt.
    Das kalte Duschwasser prasselte auf ihre Schultern, ihre weißen Arme und Beine färbten sich hellrot, als wollten sie mit dem Purpur des Badeanzugs konkurrieren. Mira hob die Arme über den Kopf und ließ sie gleich darauf erschrocken wieder fallen. Gudrun hatte recht gehabt, der Anzug weitete sich wirklich im Wasser, so sehr, dass er ein breites Stück Brust freilegte. Erschrocken trat sie unter der Dusche hervor und starrte an sich herunter.
    Alles in Ordnung. Der Ausschnitt war größer geworden, aber nicht zu groß. Sie zog den Stoff an den Schultern dennoch wieder ein Stück nach hinten, wodurch sich das Dekollete nach oben schob. Zurück unter die Dusche oder gleich ins Bad? Das Wasser des Beckens leuchtete blau und verlockend. Das Bad war fast leer, nur am Rand hingen ein paar Frauen und Männer wie angespültes Strandgut und warteten auf die Wellen.
    Mira zupfte den Badeanzug noch einmal zurecht und ging mit schnellen Schritten die breiten Stufen hinunter ins knietiefe Wasser. Weiter und weiter, bis das Wasser ihre Hüften erreicht hatte, danach ihre Brust. Dann ließ sie sich nach vorne gleiten. Nach der kalten Dusche umfing sie das Wasser

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