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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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auch.
    »Du bist mir aber eine«, sagte er und lächelte noch breiter.
    Sie überlegte fieberhaft mehrere Dinge auf einmal. Wohin sie fliehen könnte, ob sie schreien sollte, ob sie besser schwieg oder auf ihn einredete, was Gudrun an ihrer Stelle tun würde. Anselm, dachte sie, hilf mir, aber das war natürlich der größte Unsinn.
    Sie hörte auf zu denken und drehte sich um und rannte einfach los, in Richtung Umkleide, aber an der Tür holte er sie ein und hielt sie fest. Sein Körper war jetzt so dicht an ihrem, dass sie seinen Atem riechen konnte. Er hatte vor kurzem ein Pfefferminzbonbon gegessen. Seine Hände glitten über ihrem Rücken, suchend, tastend. Sie spürte die Härte zwischen seinen Beinen, durch die helle Hose.
    »Du bist ja ganz kalt«, sagte er leise. »Du wildes Ding.«
    Sie versuchte sich loszumachen und kämpfte mit aller Kraft gegen ihn an, aber sie schrie nicht, sie brachte keinen Ton heraus. »Komm«, flüsterte er und strich dabei mit einer Hand ihren nassen Badeanzug von der Schulter.
    Seine Finger waren so heiß, und ihre Haut war so kalt und dieser Atem, der so scheußlich nach Pfefferminze roch. »Hilfe«, röchelte sie, zuerst ganz leise, dann laut. »Zu Hilfe!«
    Er lachte, als wäre das ein Scherz, und legte ihr seine Hand über den Mund. Seine Fingerspitzen waren so gelb wie sein Schnurrbart. Sie versuchte zuzubeißen, aber es gelang ihr nicht. Es war nun für ihn viel schwerer, sie auszuziehen, aber dennoch schaffte er es, auch noch die andere Seite des Badenanzugs nach unten zu streifen. Dann hörten sie Schritte, platsch, platsch, platsch, Sandalen auf dem Holzboden und Stimmen, die näher kamen. Er ließ sofort von ihr ab.
    Seine Finger fassten noch einmal nach ihrer Brust, als wollte er sie mitnehmen. Dann war er weg.
    Sie hatte den Badeanzug gerade wieder über die Schultern gezogen, als die beiden älteren Frauen um die Ecke bogen. Sie musterten Mira mit einer Mischung aus Neugierde und Misstrauen. Mira öffnete den Mund, aber genau wie vorhin brachte sie keinen Ton heraus. Die beiden gingen an ihr vorbei in die Umkleide, und Mira folgte ihnen. Hinter einer der Holzwändezog sie den nassen Badeanzug und die Bademütze aus und schlüpfte in ihre Kleider, ohne sich vorher abzutrocknen. Sie hörte die beiden Frauen, wie sie sich in den Abteilungen neben ihr unterhielten, während sie sich ebenfalls anzogen.
    »Es ist ein Jammer, dass das Woglinde nun wegkommt«, sagte die erste. »Alles, was gut ist, machen sie wieder weg, nur die abscheulichen Dinge bleiben.« »Das Planetarium und das Kunstmuseum könnten sie meinethalben abreißen«, sagte die andere. »Aber doch nicht das Wellenbad.«
    »Die schlimmen Dinge setzen sich immer durch. Die Sünde und die Schlechtigkeit gewinnen überall die Oberhand.«
    »Das Gute wird aber siegen, wenn wir stark bleiben. Es kommt darauf an, sein Herz rein zu halten. Wenn man aber der Versuchung stattgibt, so wird man innerlich verderbt und ist gänzlich verloren.« Mira verstand jedes Wort der Unterhaltung und doch nichts. Sie hatte plötzlich das Gefühl, dass sich in ihrem Kopf ein Vakuum gebildet hatte, das alle ihre Gedanken ansog und auflöste und auf diese Weise immer größer wurde.
    »So man einmal gefehlt hat, muss man Buße tun, denn nur wer Buße tut und seine falschen Taten bereut, dem vergibt der gute Gott im Himmel. Wer aber nicht bereut, ist des Teufels.« Das war die Stimme der Oberin. Die Mutter Oberin in der Umkleidekabine im Wellenbad? Mira wurde schwindlig.
    »Buße heißt sich erniedrigen. Wer sich erniedrigt, dem wird vergeben«, rief die Oberin.
    »Demütige dich vor Gott!«, sagte eine der Frauen..…
    »Ave Maria, gratia plena, dominus tecum …«
    Mira schlüpfte in ihre Schuhe, packte ihre Tasche und rannte aus der Kabine, die nasse Holztreppe hinunter, aus dem Schwimmbad in die graue, feuchte Novemberkälte. Der Badeanzug blieb auf der Bank hinter der Holzabtrennung liegen, ein dunkelrotes Häufchen Elend.
     
    Zu Hause brachte sie zehn Kessel Wasser auf dem Herd zum Kochen und schüttete sie in die Sitzbadewanne, dann füllte sie sie bis zum Rand mit kaltem Wasser.
    Das Wasser war lauwarm, als sie hineinstieg. Sie nahm eine Bürste und schrubbte ihren Körper, bis die Haut an den Armgelenken, unter den Brüsten, am Hals und an den Innenseiten der Schenkel zu bluten begann. Bis der Geruch des gelben Mannes endlich verschwand – aber er verschwand gar nicht.
    Sie nahm ein Stück Seife und rieb sich damit ein, der

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