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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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nicht mehr?«, fragte sie hinterher die Kassiererin, die sich in ihrem Kassenhäuschen die Fingernägel feilte.
    »Malen Sie den Teufel nicht an die Wand«, gab die Frau zurück, während sie die Feile erschrocken zur Seite legte. »DerHerr Guben ist doch ein Goldstück. Seit er für uns spielt, füllt sich das Kino langsam wieder.«
    »Wo war er dann heute?«
    »Jeden zweiten Samstag hat er Versammlung.« Die Kassiererin warf Mira einen verschwörerischen Blick zu. Mira wartete darauf, dass sie noch etwas erklärte, was für eine Art Versammlung das war, die Guben besuchte, aber die Frau hatte sich schon wieder ihren Fingernägeln zugewandt. »Morgen Abend ist er jedenfalls wieder da«, meinte sie, als sie nach einer Weile den Kopf hob und fast überrascht schien, dass Mira immer noch dastand.
    Ob er zu einer Kirche gehört, überlegte Mira, während sie nach Hause ging. Aber zum Gottesdienst traf man sich am Sonntagmorgen und nicht samstagnachts. Und im Übrigen passte es nicht zu ihm.
    Es war also eine politische Sache. Zu dumm, dass sie nichts, aber auch gar nichts über Politik wusste.
     
    Mira vermisste Gudrun. Früher war das nie passiert, dass sie sich eine Woche lang nicht gesehen hatten. Und nun waren sogar schon fast zwei Wochen vergangen, seit Gudrun mit den Pressmanns in der Rheinterrasse gewesen war. Früher wäre Mira gleich zu Gudrun gerannt, wenn ihr so etwas wie mit dem gelben Mann passiert wäre, und Gudrun hätte sich zuerst furchtbar darüber aufgeregt, und dann hätte sie Mira getröstet. Früher hätte Mira Gudrun auch von Anselm erzählt. Oder vielleicht auch nicht.
    Gudrun musste jetzt natürlich sehr viel arbeiten, nachdem sie ihren eigenen Modesalon eröffnet hatte. Aber warum kam sie nicht wenigstens mittags auf einen Kaffee ins Restaurant oder schaute abends bei Mira vorbei? Vermutlich wartet sie darauf, dass ich zu ihr komme, dachte Mira.
    Am Sonntag nach der Arbeit fuhr sie zuerst zu Gudruns Wohnung auf der Deichstraße, aber sie war nicht da. Vielleicht machte sie ja selbst einen Besuch oder einen Spaziergang. Oder sie war im Salon, immerhin hatte sie ihren Laden gerade erstaufgemacht, da musste man auch sonntags arbeiten, wenn die Auftragslage es erforderte. Mira trat etwas unschlüssig von einem Fuß auf den anderen. Sollte sie sich auf den Weg in die Hohe Straße machen, um dann möglicherweise festzustellen, dass Gudrun nicht dort war?
    Mira zuckte mit den Schultern. Sie hatte ja sonst nichts vor. Ein Spaziergang durch die Stadt war allemal besser, als den ganzen Nachmittag in ihrem Dachzimmer zu hocken.
    Prange für die Dame
verkündete das Schild über der Tür des Salons. Das war neu, oder es war Mira bei der Eröffnung des Geschäfts nicht aufgefallen. Im Schaufenster präsentierten zwei kopflose Schneiderpuppen glitzernde Abendkleider. Beiden baumelten lange, auffällige Ketten von den abgehackten Hälsen.
    Während Mira klingelte, fragte sie sich, ob das die ersten Ergebnisse aus der Werkstatt ihrer Mutter waren.
    Dann hastete Gudrun aus dem Hinterzimmer zur Eingangstür. Mira sah sie lächeln, aber als sich ihre Blicke im Glasfenster der Tür begegneten, verblasste das Lächeln plötzlich. Mira spürte, wie ihr eigenes Gesicht erstarrte. Am liebsten hätte sie sich umgedreht und wäre einfach wieder weggegangen, aber dazu war es jetzt zu spät. Gudrun öffnete die Tür, Mira trat ein, sie standen sich gegenüber.
    Mira fiel plötzlich etwas ein, was viele Jahre zurück lag. Es war kurz nach dem Krieg gewesen, denn in ihrer Erinnerung trug sie das hellgelbe Sommerkleid, für das Frau Anschütz damals zwei Milliarden Mark hingeblättert hatte. Das muss man sich einmal vorstellen, zwei Milliarden deutsche Mark für ein Kleid, hatte Herr Anschütz damals immer gesagt, wenn er Mira in dem Kleid gesehen hatte. Mira war in die Metzgerei von Gudruns Eltern gekommen, aber Gudrun war nicht da, obwohl sie sich in der Schule miteinander verabredet hatten. »Ich weiß auch nicht, wo sie steckt«, sagte ihre Mutter und gab Mira eine Scheibe Fleischwurst, weil sie immer so verhungert aussah, dabei gaben die Anschütz’ ihr reichlich zu essen. »Aber wenn sie kommt, richte ich ihr aus, dass du hier warst.«
    Also machte sich Mira wieder auf den Heimweg, aber irgendetwas brachte sie dazu, nicht den direkten Weg zu nehmen, die Kirchfeldstraße entlang bis zur Elisabethstraße und dann hoch zur Reichsstraße, wo die Anschütz’ wohnten. Stattdessen ging sie über den Hof der Metzgerei ins

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