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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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zusammenfaltete und auf den Stuhl legte. Dann griff sie zielstrebig unter die Seidenpapierknäuel auf dem Tisch und zog ihr Zigarettenetui heraus. »Rauchst du?«, fragte sie, als ob sie und Mira sich soeben erst kennengelernt hätten.
    Im selben Moment hörten sie die Glocke über der Ladentür. »Meine Kundschaft«, sagte Gudrun und blies weißen Rauch durch ihre lange griechische Nase. Sie ging zur Tür, um zu öffnen. Im Gehen drehte sie sich noch einmal zu Mira um. Sie wirkte plötzlich sehr nervös. »Vielleicht ist es besser …«
    «Ich gehe schon«, unterbrach sie Mira. Sie ging ebenfalls nach vorne, im Vorbeigehen angelte sie sich den Hut von der Garderobe. Am liebsten würde sie mich durch eine Hintertür wegschicken, dachte sie. Es gab jedoch keine Hintertür, nur einen schmalen Luftschacht zum Innenhof.
    Sie fühlte sich unbehaglich, aber gleichzeitig auch schadenfroh. Du kommst jetzt leider nicht umhin, mir deinen Liebhaber zu präsentieren, dachte sie. Denn dass es ein Liebhaber war und keine Kundin, dafür hätte sie ihre Hand ins Feuer gelegt. Pressmann, dachte sie, bestimmt war es Pressmann, deshalb war Gudrun die Angelegenheit auch so peinlich, denn Mira hatte ja von Anfang an vorausgesagt, dass er nur auf eine Liebschaft aus war.
    Aber es war nicht Pressmann, der kam, und auch kein anderer Mann. Es war …. Annemie, dachte Mira, als sie die hohe Gestalt mit dem weißen Pelzcape sah, die jetzt den Laden betrat. Eine erwachsene Annemie, deren braune Locken sich in eine elegante Kurzhaarfrisur verwandelt hatten. Unglaublich, dachte Mira, das ist ganz und gar unglaublich. Gerade hab ich noch an sie gedacht, und nun ist sie hier.
    Aber es war nicht Annemie, sondern Frau Pressmann, die ihren kleinen weißen Hund auf dem Arm hielt.
    »Guten Tag, meine Liebe«, rief sie. Der Hund spitzte die Ohren und schnupperte erst wie ein Kaninchen, dann begann er wie von Sinnen zu bellen.
Haffhaffhaff !
»Nun sei doch still, du kleiner Racker«, rief Frau Pressmann über sein Gebell hinweg, dabei lachte sie wie früher Frau Anschütz, wenn Herbert irgendwelchen Unsinn gemacht hatte.
    Haffhaffhaff
machte der Hund, während Frau Pressmann Gudrun auf die Wangen küsste und ihre Augen gleichgültig über Miras Gesicht flogen.
    Ich habe alles falsch verstanden, dachte Mira, derweil der Hund sich heiser kläffte. Gudrun wollte keine heimliche Liebesaffäre verbergen. Es war wie damals, als sie sich mit Annemie getroffen hatte und Mira an ihr vorbeigegangen war. Sie schämt sich nicht vor mir, sie schämt sich für mich, dachte Mira.
    »Ich muss nun wirklich los«, sagte sie, aber über dem Gebell des kleinen Hundes hörten die beiden Frauen sie gar nicht.
     
    Dieser Gedanke verfolgte sie den ganzen restlichen Tag. Gudrun schämte sich für sie. War das das Ende ihrer Freundschaft? fragte sie sich. So plötzlich, so unspektakulär, so schnell? Hatte Gudrun sie einfach abserviert, weil sie reichere, elegantere, eindrucksvollere Freunde suchte? Vielleicht passe ich einfach nicht mehr in ihre Welt, dachte Mira.
    Der Tag zog sich ins Unendliche. Sie nahm ihr Buch und legte es wieder weg. Sie holte das Strickzeug heraus, das sie im letzten Winter bereits begonnen hatte, und legte es ebenfalls wieder nach wenigen Minuten zur Seite. Sie stand auf und gingdurchs Zimmer, starrte aus dem Dachfenster in den glänzend schwarzen Herbstabendhimmel, setzte sich wieder und blickte auf die Uhr. Die Zeit war stehen geblieben. Sie musste hier raus. Wohin?
    »Ins Kino«, murmelte sie, aber das ging nicht, sie war doch erst gestern im Kino gewesen.
    Na und, dachte sie dann. Die Einzige, die mich gesehen hat, ist die Kassiererin.
    Sie merkte, wie ihr ganzer Körper langsam zum Leben erwachte, während sie die Treppe hinunterlief. Als sie die Haustür aufdrückte, stob kühler Nieselregen von draußen ins Treppenhaus. Sie zog den Hut tiefer ins Gesicht und tauchte in die nasse Nacht.
    Jeden zweiten Samstag im Monat hat Anselm Versammlung, hatte die Kassiererin gesagt. Aber heute war Sonntag, heute war er da.
    »Wo willst du denn hin? Gehst du aus?« Das war Gudruns Stimme. Mira brauchte einen Moment, bis sie sie auf der anderen Straßenseite entdeckte.
    »Willst du zu mir?«
    »Nein, ich genieße die milde Luft und spaziere ein bisschen und warte darauf, dass die Geschäfte aufmachen«, gab Gudrun zurück. Mit hochgezogenen Schultern hastete sie über die Straße. »Natürlich will ich zu dir – was für eine Frage!«
    »Ich gehe ins

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