Zitronen im Mondschein
ernst.
Er ist nicht hübsch, dachte Mira, während er nun auf die gleiche breite Stufe trat, auf der auch sie standen. Recht klein für einen Mann und schmächtig und dann die dicken Brillengläser. Aber als er sie jetzt ansah, wurde ihr trotzdem fast schlecht vor Aufregung und Herzklopfen. »Wie hat Ihnen der Film gefallen?«, erkundigte er sich.
»Nicht wirklich«, meinte sie, während sie auf die nächste Stufe trat und damit ein bisschen größer war als er. Er nickte, und sie fühlte sich, als ob sie eine Prüfung erfolgreich bestanden hätte.
»Ich fand ihn unterhaltsam«, sagte Gudrun. »Willst du uns nicht vorstellen?«
»Herr …« Mira kam nicht auf den Nachnamen, weil sie ihn in Gedanken nur beim Vornamen nannte.
»… Guben«, half ihr Anselm weiter.
»Guben«, wiederholte Mira. »Und Fräulein Prange. Sie ist Schneiderin.«
Sie gaben sich die Hand. Gudrun verzog dabei das Gesicht, wahrscheinlich gefiel es ihr nicht, dass Mira sie nur als Schneiderin vorgestellt hatte, wo sie sich doch auf exklusive Damenmode spezialisiert hatte.
»Also dann«, sagte Anselm. »Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.«
Wenn Gudrun nicht gewesen wäre, wäre er vielleicht mit mir ausgegangen, dachte Mira wieder, während sie sich zum Abschied noch einmal die Hand schüttelten.
»Wenn ich nicht gewesen wäre, wäre er jetzt vielleicht hier mit dir«, sagte Gudrun, als sie ihren Manhattan in Empfang nahm.
»Unsinn«, sagte Mira. Anselm wäre vielleicht mit ihr ausgegangen, aber er wäre nie im Leben hierhergekommen, in diese große glitzernde Bar auf der Königsallee, in der sich befrackte Kellner zwischen eleganten Herrschaften durchdrängten, wobei sie Tabletts voller Cocktailgläser und Orangeadeflaschen auf einer Hand über ihren Köpfen balancierten. Aus einem Nebenraum drang Jazzmusik. Hier hängte man seinen Überziehernicht über die Stuhllehne, sondern gab ihn an der Garderobe ab und reichte dem Mädchen hinter dem Tresen dafür dreißig Pfennige als Trinkgeld.
»Jedenfalls hat er es dir angetan.«
»Ach, was du immer …«
»Komm«, unterbrach Gudrun sie. »Erzähl mir doch nichts. Man merkt es doch sofort, dass er dir gefällt.«
Das Saxophon im Nebenraum brach in ein hohes wieherndes Gelächter aus. Mira zuckte mit den Schultern.
»Schade«, seufzte Gudrun. Sie trank ihren Manhattan durch einen Strohhalm, dennoch öffnete sie jetzt ihre kleine goldene Puderdose und kontrollierte ihren Lippenstift. Schnapp! machte die Dose, als sie sie wieder zuklappte.
»Wie meinst du das?«
»Nun, ich kenne ihn ja gar nicht. Deinen Angebetenen, diesen Herrn Guben. Aber um Otto Franz ist es schade.«
»Franz? Wie kommst du auf ihn?«
»Es hätte doch etwas werden können mit euch beiden. Er ist ein netter Kerl.«
»Mit uns beiden?« Miras Stimme überschlug sich fast vor Verblüffung. »Franz und ich – nein, wie kommst du denn auf diese Idee! Er ist doch so ganz anders als ich, nie im Leben würde aus uns ein Paar.«
»Eben weil er so ganz anders ist als du, das ist es ja gerade. Gegensätze ziehen sich an, hast du das noch nie gehört?«
»Gleich und gleich gesellt sich gern – das ist der Spruch, den ich kenne.«
Gudrun holte ihre Zigaretten aus der Tasche und zündete sich eine an. »Gleich und gleich ist langweilig.«
Mira fragte sich, ob sie immer noch von ihr und Franz sprach oder schon von etwas anderem.
»Ich glaube, Franz passt vielmehr zu dir als zu mir«, begann sie vorsichtig. »Jedenfalls habe ich gehofft, dass ihr …«
Gudrun lachte prustend, dabei quoll weißer Rauch aus ihrer Nase und aus ihrem Mund zugleich. Er sammelte sich in einer kleinen Wolke vor ihrem Gesicht, bevor er weiter nach obenstieg und sich unter der Decke verflüchtigte. »Was für ein Gedanke!«
Mira nippte an ihrem Manhattan. Seit jenem Abend im Roten Kakadu hatte sie keinen Cocktail mehr getrunken. Sie schmeckte die Süße, den herben, leicht säuerlichen Nachgeschmack und wurde sofort wieder von einem Gefühl der Schwerelosigkeit ergriffen, obwohl sie gerade einmal einen Schluck getrunken hatte. »Warum nicht?«, fragte sie. »Nur weil er nicht so reich ist wie Pressmann?«
»Ach Pressmann!« Gudrun machte eine wegwerfende Handbewegung und zerteilte damit die Rauchwolke vor ihrem Gesicht, aber nur für ein paar Sekunden, dann schloss sie sich wieder. »Wie oft muss ich es dir denn noch sagen, dass ich nichts mit ihm habe.«
Sie rauchte weiter ihre Zigarette, und Mira trank ihren Manhattan in viel zu
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