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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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Rauschgiftspur, während er ans Fenster trat und in den Innenhof blickte, in dem ein kleiner Brunnen sprudelte. Von hier oben wirkte die Fontäne seltsam flach und kraftlos, obwohl er von unten gesehen hatte, dass sie gut zwei Meter hoch sprühte.
    »Komm«, sagte sie, und er kam zum Tisch, auf dem der Spiegel mit seinem weißen Fragezeichen aus Kokain lag. Sie waren wie ein altes Ehepaar, dachte er plötzlich, sie bereitete das Essen vor und richtete es für ihn an. Er hatte seinen Teil des Kokainsgerade eingeatmet, als hinter ihnen die Tür ging. Er fuhr herum, und das Rauschgift explodierte in seinen Atemwegen, es füllte alles in ihm aus, den Rachen und die Nebenhöhlen, den Mund, und trat ihm als brennende Tränen aus den Augen. Er hustete und keuchte und hatte den Eindruck, als ob er weiße Giftwolken aus sich herausblies, die sich im ganzen Zimmer ausbreiteten. Durch den Tränenschleier sah er Lillys Bruder in der offenen Tür stehen. Der junge Castenow starrte ihn an, und Ludwig starrte zurück.
    »Was willst du hier?«, herrschte Lilly ihren Bruder nach einer Weile an. »Lass uns in Ruhe! Verschwinde!«
    Castenow nickte und deutete dabei eine kleine Verbeugung an. Vor lauter Tränen konnte Ludwig seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen, wahrscheinlich grinste er. Dann zog er die Tür lautlos wieder ins Schloss.
    Ludwig presste seine Hand auf den Mund, um den Husten zu ersticken. Seine Luftröhre brannte, seine Lunge stand in Flammen, und seine Augen liefen über. Lilly rollte den Geldschein wieder zusammen, dann beugte sie sich über den Spiegel und zog den letzten Rest des Kokains in die Nase. Danach schloss sie die Augen und atmete tief und gleichmäßig. Ihre Brüste hoben sich langsam und senkten sich, ihr Gesicht war vollkommen gleichmütig, als wäre nichts geschehen. Während sie atmete, trat sie neben ihn, und dann zog sie ihr glänzendes grünes Wasserkleid langsam, ganz langsam nach oben. Über die langen Waden, die Knie und die Schenkel, bis er das Ende ihrer feinen Seidenstrümpfe sah und das feste weiße Fleisch darüber. Sie hob ein langes Bein über seine Beine und setzte sich auf ihn.
     
    Hinterher stand sie einfach auf und strich sich ihr Kleid wieder zurück über die Beine und ging weg. Sie verließ den Raum, ohne sich nach ihm umzusehen. Den Spiegel und den Hundertmarkschein ließ sie auf dem Tisch liegen. Danach sah er sie zwei Wochen lang nicht wieder.
    Später kam sie noch einige Male ins Treppenhaus, während er Nymphen, Najaden und Göttinnen malte, und holte ihn ab,führte ihn in irgendeinen Winkel der Villa, wo sie zuerst Kokain schnupften und dann miteinander schliefen. Letzteres geschah in vollkommener Lautlosigkeit. Ludwig fragte sich, ob es Lillys Gewohnheit entsprach oder ob sie Angst hatte, die Beherrschung zu verlieren. Vielleicht fürchtete sie auch, entdeckt zu werden, wenn sie ein Geräusch von sich gab.
    Es ging alles immer sehr schnell. Sie setzte sich auf ihn oder beugte sich über einen Tisch, und dann war es vorüber, so plötzlich wie es angefangen hatte. Er hasste diese Zusammenkünfte, er hasste sie und ihre geschmeidige Art, sich ihm zu nähern, und er hasste sich selbst, weil er sich ihr nicht entziehen konnte, jetzt nicht und niemals. Er war verloren, wenn sie so dicht vor ihm stand, dass er sie riechen konnte, ihren seltsamen Geruch nach Nelken und Minze. Er war verloren, wenn sie ihr Kleid hochzog und ihre grünen Augen ihn anstarrten, ohne zu blinzeln.
    Sie zog sich niemals ganz aus. Er fragte sich, wie ihre Brüste aussahen und wie sie sich anfühlen würden, aber nur vorher, hinterher versuchte er so wenig wie möglich an sie zu denken.
    Ludwig hatte seinen Auftrag nun fast abgeschlossen, es war Juli und heiß, auch im Treppenhaus, das durch ein großes Dachfenster erhellt wurde, auf dem nun die ganze Zeit die Sonne stand. Er arbeitete dennoch zügig und konzentriert, weil er so schnell wie möglich fertig werden wollte. Er kam morgens eine Stunde früher und ging später nach Hause. Die Abende verbrachte er fast immer in seiner Kammer, im Romanischen Café sah man ihn so gut wie gar nicht mehr.
    Pechstein war nun schon über einen Monat weg. Anfang Juni war er mit seiner Frau nach Hamburg gereist, dort hatten sie den Dampfer nach Mikronesien bestiegen. Die »Expedition ins Archaische« – wie Kirchner es einmal genannt hatte – hatte Ludwig recht kalt gelassen. Eine Reise auf eine exotische Insel, nun gut, wenn man sich unbedingt auf Gauguins Spuren

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