Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
Vom Netzwerk:
Strumpffabrikanten in Charlottenburg aus. Motive aus der griechischen Mythologie.«
    »Das ist keine Arbeit«, wies sie ihn streng zurecht. »Das ist Geldverdienst. Was machen Sie wirklich? Was schaffen Sie?«
    Er zuckte wieder mit den Schultern. »Nichts. Des Abends bin ich so müde, dass ich keinen Pinsel mehr in die Hand nehmen kann.«
    »Das ist sehr schlimm – eine Katastrophe.«
    Er nickte. »Was soll einer tun?«
    »Nun, man soll natürlich aufhören, Dinge zu tun, die einen nicht zufriedenstellen.«
    »Ja, aber der Mensch muss doch von irgendetwas leben.«
    »Eben«, sagte sie und lachte. Dann erhob sie sich. Sie ging zum Kleiderschrank, holte einen langen, schmalen Seidenmantel heraus und zog in an. Nachdem sie sich eine Weile lang im Spiegel betrachtete hatte, ließ sei den Mantel wieder von den Schultern gleiten und achtlos am Boden liegen.
    »Und die Liebe? Was macht die Liebe?«, erkundigte sie sich dann, ohne ihn anzusehen.
    Du liebe Zeit! dachte Ludwig. Genau, wie ich es befürchtet habe. Jetzt fängt sie an.
    »Ich habe eine Geliebte«, sagte er rasch. Vielleicht schreckte sie das ab.
    Aber es schien sie im Gegenteil nur anzuziehen. »Ach wirklich?«, fragte sie interessiert und ließ sich wieder gegenüber von ihm auf dem Bett nieder. »Wer ist es denn? Ist sie lieb?«
    Ist sie lieb?
Wenn es ein Wort auf der Welt gab, das nicht auf Lilly zutraf, dann war es dieses. »Nein«, gab er nach kurzem Zögern zu.
    »Nein?« Sie verzog enttäuscht das Gesicht. »Aber sie ist aufregend und wild?«
    »Ja«, sagte er.
    »Und Sie lieben sie von Herzen?«, fragte sie lauernd.
    Ja, wollte er antworten, einzig und allein aus dem Grund, damit sie ihn in Ruhe ließe und er nach Hause gehen konnte, aber er schaffte es nicht. Er brachte dieses eine kleine, nichtssagende Wort einfach nicht über die Lippen, diese zwei lächerlichen Buchstaben.
    »Oder etwa nicht?«, erkundigte sich die Lasker-Schüler, während sich alle Gedanken, alle möglichen Antworten aus seinem Gehirn verflüchtigten und nur eine große, schreckliche Leere zurückblieb.
    »Nein«, sagte Ludwig tonlos. »Nein, ich liebe sie nicht einmal.« Mit einem Mal musste er sich zusammenreißen, dass er nicht zu weinen anfing. Er fühlte eine entsetzliche Kraftlosigkeit, die sich auf ihn legte und in ihn eindrang und sich in ihm ausbreitete. Er wollte weg hier, aber nicht nach Hause, sondern an einen anderen Ort, den er nicht kannte, und er wollte seinen Kopf in den Schoß der Lasker-Schüler legen und die Augen schließen und weinen.
    »Nun, nun«, sagte sie leise und sehr zart. Er musste aus einem unerfindlichen Grund plötzlich an Maria denken, an die Zeit in Freiburg im Winterlager, als er in der Trikotagenfabrik gearbeitet hatte und abends vollkommen erschöpft in den Zirkus zurückgekommen war. Vielleicht war es der Gesichtsausdruck, mit dem ihn die Lasker-Schüler betrachtete. Genauso hatte ihn Maria auch angesehen, so mitleidig und ratlos. Sie hatte so wunderschöne Hände gehabt, fiel es ihm ein, und auf einmal spürte er ein fast unwiderstehliches Verlangen danach, die Hände der Lasker-Schüler zu sehen, ob sie genauso kraftvoll und schön waren wie Marias Hände. Sie hielt sie aber in ihrem Schoß gefaltet.
    »Ach«, sagte sie gedankenverloren, während ihr Blick irgendwo auf ihren Füßen hing. »Ich habe auch schon einiges erlitten, um der Liebe willen. Es ist nicht schön, und es tut auch nicht gut, aber es geht vorüber. Bis das Leiden dann von Neuem beginnt.«
    Er fragte sich, ob sie an diesen Benn dachte, ihren Giselheer, und was sie wohl an ihm gefunden hatte.
    »Ich kann Ihnen aber nur raten, die Sache nicht weiter zu verfolgen, wenn Sie diese Frau nicht lieben«, fuhr die Lasker-Schüler dann fort. »Ich glaube, dass aus einer solchen Affäre nie etwas Gutes entstehen kann, wenn die Hingabe fehlt.«
    Sie hatte natürlich recht. Aber wenn er sich Lilly doch nicht entziehen konnte! Was wusste die Lasker-Schüler schon von Raubkatzen und ihren animalischen Anziehungskräften!
    »Beginnen Sie wieder zu malen, aber ernsthaft«, riet sie ihm, als hätte er den Gedanken laut ausgesprochen. »Das lenkt die Gedanken in neue, bessere Bahnen.«
    Dann klopfte der Page und brachte Tee. Die Lasker-Schüler tat in jede Tasse ein Scheibe Zitrone, bevor sie einschenkte. Ludwig nahm die dampfende Tasse entgegen, obwohl er lieber gegangen wäre. Warum sollte er sich auch die Lebensweisheiten einer alternden Dichterin anhören, die ihr eigenes Leben ganz

Weitere Kostenlose Bücher