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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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bewegen wollte. Es war nicht mehr ganz so originell, aber immerhin ungewöhnlich genug.
    Einmal hatte ihn Pechstein sogar gefragt, ob er ihn nicht begleiten wollte. Ludwig hatte es damals für einen Witz genommen,er war gar nicht darauf eingegangen, aber jetzt tanzte ihm der Vorschlag im Kopf herum, funkelnd und schillernd wie etwas sehr Wunderbares, Verführerisches, das er hatte verfliegen lassen, anstatt es mit beiden Händen zu ergreifen. Warum habe ich es nicht früher gesehen? warf er sich vor, wenn er abends in seinem grauen, hässlichen Zimmer saß und hörte, wie das Holz knackte. Die schmutzigen Fensterscheiben verwandelten die abendgelben Sonnenstrahlen in ein zähes, schmieriges Licht. Wäre ich doch mitgefahren? dachte er. Könnte ich das alles nur hinter mir lassen!
    Er nahm seinen Strohhut vom Haken an der Wand und ging spazieren – über den Nollendorfplatz, dann bog er in eine Straße ein, ohne darauf zu achten, wohin er ging. Sein Schatten ging vor ihm her, langgezogen und ausgehungert. Eine neue Welt, dachte er, was gäbe ich jetzt darum, wenn ich eine neue Welt erleben dürfte! Wenn ich einfach nur weg könnte!
    In einem Hauseingang saß eine gelbweiße Katze und putzte sich. Er dachte an Lilly und beschleunigte seine Schritte. Unten auf der Motzstraße traf er die Lasker-Schüler.
    Wenn er sie vorher gesehen hätte, wäre er ihr ausgewichen, doch er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er sie erst bemerkte, als sie bereits vor ihm stand. Sie trug keinen Hut, aber sie hatte einen Sonnenschirm dabei, den sie allerdings nicht aufgeklappt hatte, sondern als Spazierstock benutzte. Auf ihr kurz geschnittenes dunkles Haar malte die Abendsonne zwei glänzende Streifen, von der Stirn bis zum Hinterkopf.
    »Sie wollten mich doch einmal besuchen kommen«, sagte sie anstelle einer Begrüßung. Ganz so, als wären sie alte Bekannte und hätten sich am Vortag noch gesehen. Dabei waren sie sich über zwei Monate nicht mehr begegnet.
    »Ich hatte aber immer so viel zu tun«, begann Ludwig zu erklären, aber sie nickte nur und schnitt ihm dadurch das Wort ab.
    »Dann kommen Sie doch jetzt mit«, sagte sie. »Meine Pension ist ganz in der Nähe; ich lasse uns Tee kommen.«
    Es gab nichts, was er darauf entgegnen konnte, es war auch offensichtlich, dass er nirgendwohin wollte, sondern nur spazieren ging, also folgte er ihr.
    Das Hotel, in dem sie lebte, war weniger armselig, als er es erwartet hatte. Auch ihr Zimmer war akzeptabel, größer und heller jedenfalls als seine armselige Kammer am Nollendorfplatz.
    »Bitte, so nehmen Sie doch Platz«, sagte sie und wies auf einen braunen Ohrensessel, auf dem sich Kleider, Bücher und Unrat türmte. »Mein Sohn ist vor einigen Tagen nach München gereist, er soll dort Unterricht im Zeichnen und Malen bekommen von einem lieben Freund, dem blauen Reiter«, erklärte sie, während er den Sessel freizuräumen begann, indem er die Kleidungsstücke und Gegenstände einfach auf den Boden legte.
    »Franz Marc«, sagte er, um irgendetwas zu sagen.
    »Der blaue Reiter«, wiederholte sie, als wäre das der wirkliche Name des Künstlers. Er hatte schon von ihrer Angewohnheit gehört, dass sie ihren Freunden und Vertraute fantastische Namen gab, die dann in den Künstlerkreisen die Runde machten und für viel Gespött sorgten.
Giselheer
nannte sie Dr. Benn, und ihren zweiten Mann, Herwarth Walden, hatte sie sogar so konsequent umbenannt, dass kaum einer seinen ersten und echten Namen kannte.
    Hoffentlich erfindet sie nicht am Ende auch noch für mich einen Namen, dachte Ludwig, während er als letzten Gegenstand ein gelblich verblichenes Mieder vom Sessel nahm und auf den Boden legte. Plötzlich erinnerte er sich wieder an das, was er schon beim letzten Mal im Romanischen Café befürchtet hatte, als die Lasker-Schüler ihn auf einmal angesprochen hatte. Wenn sie sich nur nicht an mich ranmachen will! dachte er. Man kennt ja ihre Vorliebe für jüngere Männer.
    Die Lasker-Schüler hatte inzwischen auf der Bettkante Platz genommen und betrachtete nachdenklich das gelbliche Mieder zu ihren Füßen. »Warum also sind Sie gekommen?«, fragte sie schließlich, ganz so, als habe er sich ihr aufgedrängt und nicht umgekehrt.
    Er überlegte, ob er sie auf den Irrtum hinweisen sollte, aber ihm fehlten die richtigen Worte, also zuckte er nur mit den Schultern.
    »Arbeiten Sie viel?«, fragte sie ihn daraufhin streng.
    »Sehr viel«, seufzte er. »Ich male das Treppenhaus eines

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