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Zitronentagetes

Zitronentagetes

Titel: Zitronentagetes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Orlowski
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das ihrer Geschwister und es fiel in weichen Wellen auf ihre Schultern. Sally Mancuso, eine der Friseusen, wies ihr einen Platz zu. Sie wickelte sich eine Strähne von Vickys seidigem Haar um den Finger. »Was soll’s denn heute sein?«
    Vicky erklärte, dass sie alles durchgestuft haben wolle – mit knallroten Strähnen. »Na dann, auf geht’s. Sie sorgen hier stets für Abwechslung, Mrs. de Bourillon.«
    Vicky lachte. »Kann ich mir lebhaft vorstellen.«
    »Guten Morgen, alle zusammen.« Bonny Sue erschien auf der Bildfläche und begann, wie jeden Tag, ihren üblichen Rundgang. Mit Adleraugen nahm sie alles unter die Lupe. Da sich ihr Gesicht nach der Prüfung der fünf Frisierplätze entspannte, atmete Floriane auf.
    Der Klingelton eines Mobiltelefons ertönte. »Das ist meins«, erklärte Vicky.
    »Möchten Sie rangehen?«, wollte Sally wissen.
    »Auf keinen Fall, nicht jetzt. Ihre Kopfmassage ist einfach himmlisch. Nirgendwo sonst werde ich so ausgezeichnet bedient, Schätzchen. Glauben Sie mir.«
    Bonny Sue registrierte diesen Kommentar mit größter Befriedigung. Immerhin war sie es, die ihren Angestellten immer wieder predigte, wie gut solche Extras bei den Kunden ankamen.
    Nach und nach füllte sich der Salon. Flo kannte ihre Aufgaben und holte frische Handtücher aus dem Wäschetrockner. Sie legte sie zu ordentlichen Stapeln zusammen und trug den Korb in den Frisiersalon. Dann machte sie sich daran, sie auf die Arbeitsplätze zu verteilen.
    Bonny Sue tippte ihr auf die Schulter. Mit einem übertriebenen Kopfnicken wies sie auf das Radio. Flo hatte vergessen, es einzuschalten. Wahrscheinlich, weil sie immer noch Tyler und seine Mannen im Ohr hatte. Sofort drückte sie auf den Knopf. Bonnys bevorzugter Sender brachte einen netten Oldie von den Supremes. Beschwingt tänzelte Flo zurück zu ihren Handtüchern.
    Plötzlich ertönte die Stimme des Moderators. »Aus aktuellem Anlass unterbrechen wir die Sendung für eine wichtige Nachricht. Soeben hat CNN gemeldet, dass eine Boeing 767 in den nördlichen Turm des World Trade Centers gestürzt ist. Die Maschine mit der Flugnummer 11 der American Airlines raste um 8:15 Uhr in den Tower.«
    »Wie kann so etwas passieren? Ich meine, mitten in Manhattan«, überlegte Sally laut. Dann begann sie, ihrer Kundin das Haar durchzukämmen, und griff nach der Schere.
    Flo hatte alle Handtücher für den Frisiersalon einsortiert. Jetzt konnte sie sich daranmachen, die Bestände im Wellness-Bereich aufzustocken. Rasch schnappte sie sich den Wäschekorb, als der Moderator wieder das Wort ergriff. »Um 9:05 Uhr flog erneut ein Flugzeug in das World Trade Center, dieses Mal in den südlichen Turm. Flug Nummer 175 der United Airlines war unterwegs von Boston nach Los Angeles. Niemand kann zum jetzigen Zeitpunkt etwas über die genauen Hintergründe der Katastrophe sagen. Fest steht nur eines: Dies ist ein gezielter Angriff.«
    »Mein Gott.« Flo hielt erschrocken inne.
    Das Klingeln von Vickys Mobiltelefon zerriss die Stille.
     
    *
     
    Vicky nahm das Gespräch an. »Hallo, mein Schatz …«
    »Vicky.« Jaques Stimme, vertraut und doch so fremd. »Ich kann nicht lange reden, hier ist die Hölle los.«
    »Ich denke, du wolltest nach San Francisco?«
    »Ich musste den Flug verschieben, ich hatte heute Morgen einen Termin mit meinem Börsenmakler. Wir waren im Restaurant des World Trade Centers verabredet.«
    »Sag, dass das nicht wahr ist!«
    »Ich weiß nicht genau, was hier passiert ist. Stell den Fernseher an. Falls ich dich noch einmal erreiche, muss ich wissen, wo das Feuer ist. Manche sagen, wir sollen hoch aufs Dach, andere wollen auf Anweisungen durch die Feuerwehr oder die Sicherheitsleute warten. Ich bin mir nicht sicher, was das Richtige ist. Die Fahrstühle funktionieren nicht mehr.«
    »Wo genau bist du?«
    »Im Südturm, ich glaube, im zweiundachtzigsten Stock …« Die Verbindung brach zusammen.
    »Jaques, Jaques«, flüsterte Victoria.
    Alle starrten sie entsetzt an.
    »Das glaube ich nicht. Es kann, es darf nicht wahr sein.«
    Bonny Sue reagierte als Erste. Sie zog Vicky hinter sich her zur Treppe. Widerstandslos ließ sie sich führen.
    Gemeinsam betraten sie Bonny Sues Wohnung. Sie wurde in weiche Polster gedrückt. Im Fernseher erschienen die Unheil verkündenden Bilder des Infernos, das über Manhattan tobte.
     
    *
     
    Jaques verspürte plötzlich panische Angst, sein ungeborenes Kind niemals in den Armen zu halten. Vicky war ziemlich sicher, dass sie

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