Zitronentagetes
fröhlichem Geplapper. Während sie sie beobachtete, begriff sie plötzlich, wen sie da vor sich hatte. Es war die Frau, die Mr. Hobbs attackiert hatte. Endlich fiel ihr auch ein, dass es sich bei der jungen Mutter, die so ausgelassen mit ihrer Tochter herumgetollt hatte und dabei ganz offensichtlich in die Rolle einer Gleichaltrigen geschlüpft war, um ein und dieselbe Person handelte. Wie ulkig.
Jetzt wollte sie sich aber beeilen. Immerhin freute sie sich auf einen schönen Abend mit Bertha, dieses Mal oben bei ihnen. Die Ältere nannte einen reichen DVD-Fundus ihr Eigen. Außerdem hatte Bertha Feuer gefangen. Sie wollte weitere Kathedralenfenster-Anhänger nähen. Einige waren bereits an der Girlande befestigt, die sie um den Handlauf der Treppe geschlungen hatten.
»Einer meiner Lieblingsfilme.« Bertha fuhr mit dem Cover wedelnd durch die Luft. Es war »Anne auf Green Gables«, eine Verfilmung des Romans von Lucy Maud Montgomery. Flo war begeistert, selbst noch eine Woche später, als sie die Mäntel der Angestellten in Empfang nahm, die zur Weihnachtsfeier von Tanner Construction erschienen waren.
Während einer kurzen Pause schwelgte sie wieder in Tagträumen. Oh, was für ein hübsches Kleid. Das sind die puffigsten Puffärmel von der ganzen Welt …
*
Das Telefon läutete. Marc trat aus der Dusche, schlang sich ein Handtuch um die Hüften und angelte nach dem Handy. Die Nummer auf dem Display sagte ihm nichts.
»Hallo Marc.«
Sein Magen war plötzlich wie zugeknotet.
»Bitte, leg nicht gleich auf .«
»Was willst du?«
»Sie haben mich vorzeitig entlassen.«
Marc ließ seinen Vater eine Weile seinem Schweigen lauschen.
»Bist du noch dran? Junge, sag doch was. Wenigstens ein Wort.«
»Ruf mich nicht mehr an. Zwischen uns gibt es nichts zu bereden.«
»Marc, so hör …«
Es reichte, er legte auf.
Amy stand plötzlich neben ihm. »Lass mich raten: Das war dein Dad.«
»Ja.«
»Meinst du nicht, ihr solltet ein für alle Mal klären …«
»Nein.«
»Es hat sich also nichts geändert.«
Ohne ihr zu antworten, begann er mit seiner Rasur.
»Warum tue ich mir das eigentlich jedes Wochenende an?« Ihre Frage hing in der Luft.
»Dass ich nicht lache. Du warst doch letztes Wochenende gar nicht hier.«
»Wundert dich das etwa?« Ihr Lachen klang keineswegs fröhlich.
Er verließ das Badezimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
Amy lief ihm hinterher. »Sag mal, spinnst du, mich einfach so stehen zu lassen, während ich mit dir rede?«
»Lass mich in Ruhe.«
»Bitte, das kannst du haben.« Kurzerhand fuhr sie in ihre Jeans und ein Sweatshirt. Dann schlüpfte sie in ihre Jacke, griff nach der Handtasche und verließ das Apartment.
Für Dezember war dieser Abend ungewöhnlich mild. Leider fing es jedoch an, zu regnen. Im Foyer des Firmengebäudes traf Marc auf Joshua. »Wo ist Liz?«
»Sie hat Dienst. Und Amy?«
»Reden wir am besten nicht drüber.«
»So schlimm?«
»Sogar noch schlimmer.«
»Nimmst du uns nun die Mäntel ab oder nicht?« Flo lächelte vor sich hin und schien der Welt entrückt. Ihre Gedanken purzelten in die Wirklichkeit zurück, wenn auch mit Widerwillen, das sah Marc ihr an.
»O Pardon, ich war gerade bei den Puffärmeln.«
»Was?«
»Schon gut.« Sie hängte die Mäntel an einen freien Garderobenhaken und reichte ihm den Plastikchip mit der Nummer. »Was denn, keine Frauen dabei?«
»Nein«, antworteten Josh und er einstimmig.
»Ich wünsche dennoch einen schönen Abend, die Herren.« Wie zur Bestätigung musste sie niesen und putzte sich die Nase. »Tut mir leid. Mein Hals kratzt bereits seit gestern.«
So sehr Marc es auch versuchte, seine Gedanken ließen sich nicht in eine andere Richtung lenken. Immer wieder kreisten sie um seinen Vater und dessen Haftentlassung. Dass Amy fortgefahren war, machte die Sache nicht besser – im Gegenteil. Am liebsten hätte er das Büffet in Grund und Boden gestampft. Seine Wut brauchte ein Ventil, und zwar bald. Er ließ Joshuas kurze Ansprache über sich ergehen und schlenderte zur Bar. Vielleicht konnte ein guter Whisky seine flatternden Nerven beruhigen. Ihm fiel noch rechtzeitig ein, dass er mit dem Wagen da war und nicht auf Amy als Chauffeur zurückgreifen konnte. So stieß er mit einigen Kollegen lediglich mit einem Glas Sekt auf die bevorstehenden Feiertage an und leerte das Glas auch nur zur Hälfte. Er führte ein paar belanglose Gespräche und aß etwas.
Josh setzte sich an seinen Tisch. »Du
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