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Zitronentagetes

Zitronentagetes

Titel: Zitronentagetes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Orlowski
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allzu gut kannte. Kurzerhand folgte sie dem Drang, nach St. Elwine zu fahren. Vorher vergewisserte sie sich, dass das Kindermädchen auf Alain achtgeben würde.
    Mit dem Auto war sie schnell vor Ort. Sie lenkte es in Richtung Hafen, stieg aus und ging ein paar Schritte. Das Meer lag schwarz und schattenhaft vor ihr. Sie hörte es mehr, als dass sie es sehen konnte.
    Was zählte, war die Tatsache, dass es da war.
    »Wo bist du, Jaques? Spürst du, dass ich nach dir suche? Ahnst du, wie verzweifelt ich bin? Was soll ich unserem Sohn sagen, was mit dir passiert ist?« Fragen, nichts als Fragen. Sie war sich nicht mal sicher, ob sie sie geschrien oder nur gedacht hatte. Was spielte es schon für eine Rolle? Das Meer gab ihr keine Antworten. Früher einmal war es so gewesen. Jetzt hörte sie nichts als das glucksende Klatschen, wenn die Wellen den Sand berührten.
    Der Schmerz in ihrem Unterleib verschlimmerte sich. Da ihre Seele bereits seit Wochen schmerzte, hatte sie das Ziehen in ihrem Bauch nicht registriert. Nun ließ es sie aufkeuchen. Sie spürte warme, klebrige Flüssigkeit zwischen den Beinen. »O Gott, bitte nicht!« Vorsichtig stieg sie in das Auto und fuhr zum Krankenhaus. Es lag nicht weit entfernt. Als sie vor der Notaufnahme parkte, wagte sie nicht, auszusteigen. Da war noch mehr Blut, sie spürte, dass der Sitz unter ihr nass war. Rasch presste sie die Beine zusammen. Ohne den Druck zu lockern, kramte sie nach ihrem Mobiltelefon und wählte die Nummer von Elizabeths Büro. Sie wusste, dass ihre Schwägerin im Dienst war. Es klingelte endlos. Als Vicky schon auflegen wollte, erklang die Stimme der Telefonistin aus der Zentrale der Klinik. In unzusammenhängenden Sätzen schilderte Victoria ihr Problem. Blieb zu hoffen, dass die Frau aus dem Gestammel schlau wurde.
    Vicky saß vollkommen reglos. Als jemand gegen die Autoscheibe klopfte, erschrak sie. Sie hatte niemanden kommen sehen. Schon wurde die Tür geöffnet. »Guten Abend, ich bin Dr. Zimmerman. Was ist passiert?« Vorsorglich hatte er einen Rollstuhl mitgebracht, auf den er deutete.
    »Ich muss dringend Elizabeth sprechen. Dr. Tanner, sie ist meine Schwägerin.«
    »Es tut mir leid, aber Dr. Tanner ist im OP.«
    »Bitte …«
    »Das geht nicht, verstehen Sie doch. Sicher kann ich Ihnen weiterhelfen.«
    »Wer sind Sie?«
    Er wiederholte seinen Namen.
    »Sind Sie Arzt?«
    »Ich bin Assistenzarzt. Wie geht es Ihnen?«
    »Ich bin schwanger …«
    Er wartete, dass sie weitersprach.
    »Ich würde Ihnen wirklich gern helfen, Ma’am .«
    »Etwas stimmt nicht. Mit dem Baby, meine ich.«
    »Okay, kommen Sie, setzen Sie sich in den Rollstuhl. Ich bringe Sie rein.«
    »Nein!« Sie kreischte beinahe.
    »Es ist kalt, Mrs. Tanner. Ich habe keinen Mantel an. Bitte kommen Sie mit rein.«
    »Ich darf mich nicht bewegen … sonst … sonst verliere ich das Baby. Verstehen Sie? Bitte …«
    Sie hatte es ganz leise gesagt.
    »Ich …« Er ließ es bleiben, den Satz zu beenden. Stattdessen schob er einen Arm unter ihre Knie, stützte mit dem anderen ihren Rücken und hob sie hoch.
    »Was tun Sie da?«
    »So müssen Sie sich nicht bewegen«, antwortete er ruhig.
    Die Tür schwang auf und er trug sie in ein Untersuchungszimmer. Eine Krankenschwester eilte zu Hilfe.
    Er setzte Vicky behutsam auf dem Behandlungsstuhl ab. »Die Schwester hilft Ihnen, sich auszuziehen, damit ich Sie untersuchen kann.«
    Vicky wandte sich an die Schwester. »Elizabeth – ist sie da?«
    »Ich fürchte, Dr. Tanner ist noch für längere Zeit im OP beschäftigt.«
    »Aber …«
    »Sie müssen die Hose ausziehen.«
    »Das geht nicht.«
     
    *
     
    »Wir machen das ganz langsam, dann kann nichts passieren«, hörte Curtis die Schwester mit ruhiger Stimme sagen. Sein Pager hatte sich gemeldet, weil eine schwangere Frau vor der Notaufnahme parkte, die offensichtlich ein Problem hatte. Er hatte Victoria Tanner sofort erkannt. Außerdem wusste er um die Geschichte mit ihrem Mann.
    Seltsam, normalerweise begegnete er den Patienten mit einem flotten Spruch, doch diese Frau wirkte so … verzagt? Curtis spürte, dass sie stumm weinte. Er fand keine Worte des Trostes.
    Vorsichtshalber rief er im OP an. Weder Dr. Tanner noch Jefferson hatten ein Ohr für ihn. Er hatte nichts anderes erwartet und machte sich zurück auf den Weg. Die Schwester hatte es irgendwie geschafft, dass die Patientin jetzt einen Krankenhauskittel trug. Ihm war schleierhaft, wie sie das in der Kürze der Zeit bewerkstelligt

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