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Zitronentagetes

Zitronentagetes

Titel: Zitronentagetes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Orlowski
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hatte. Aber noch immer saß Victoria mit zusammengepressten Knien auf der Kante des Stuhles. Die Schwester warf ihm einen Seitenblick zu. Sie sah aus, als würde sie ihn im Stillen um etwas bitten.
    Curtis räusperte sich. Er legte eine Hand auf die der Patientin. »Bitte, ich möchte Sie untersuchen und schauen, wie ich Ihnen helfen kann«, sagte er behutsam.
    Doch für das Baby kam jede Hilfe zu spät. Der Fötus musste bereits vor ein oder zwei Wochen abgestorben sein. Während der Untersuchung schwebte Victorias Blick im Nirgendwo. Unaufhörlich rannen Tränen aus ihren Augen.
    »Es tut mir sehr leid.« Dieses Mal waren seine Worte keine einstudierte Floskel. Er meinte es wirklich so. »Sie sind jung, Sie können noch Kinder bekommen«, versuchte er zu trösten.
    »Nicht mehr von diesem Mann.« Sie zog sich in sich selbst zurück.
    Als er nach dem anschließenden kleinen Eingriff nochmals nach ihr sah, tat sie, als würde sie schlafen.
     
    *
     
    Megan Cumberland schreckte hoch, als das Telefon läutete. Noch im Halbschlaf drückte sie den Hörer an ihr Ohr.
    Die Worte der Frau trafen sie unvorbereitet.
    Mühsam kämpfte sie sich durch die Wirkungen des Valiums, das sie vor ein paar Stunden geschluckt hatte, um schlafen zu können. Weil sie nichts sagte, wollte die Frau am Telefon wissen, ob sie sie richtig verstanden hatte.
    Megan nickte. Zu spät begriff sie, dass die andere sie nicht sehen konnte. »Ich rufe ein Taxi«, murmelte sie und legte auf.
    Sie tappte ins Badezimmer und ließ kaltes Wasser über ihr Gesicht laufen. Anschließend kramte sie im Kleiderschrank herum. »Den Schal nicht vergessen«, brabbelte sie vor sich hin.
    Im Krankenhaus sagte ihr die Schwester lediglich, dass Marc einen schweren Autounfall gehabt hatte. Weitere Auskünfte dürfe sie ihr nicht geben. Megan blieb nichts anderes übrig, als zu warten, bis der Arzt aus dem OP kam. Vage erinnerte sie sich, dass sie stets einen Rosenkranz mit sich herumtrug. Sie kramte in ihrer Handtasche danach.
    »Vater unser im Himmel …«, betete sie still, jedoch mit Inbrunst.
     
    *
     
    Elizabeth war vollkommen erledigt, jetzt, wo ihr Körper die Adrenalinausschüttung radikal einstellte. Ihr Ziel, Marc Cumberland am Leben zu halten, hatte sie erreicht.
    »Gut gemacht.« Jefferson klopfte ihr anerkennend auf die Schulter. »Sie legen sich jetzt auf der Stelle für ein paar Stunden hin. Ich spreche mit den Angehörigen und ordne alles Weitere für Zimmerman an.«
    Liz protestierte nicht.
    Sie grüßte Megan, als sie an ihr vorbeiging, verschwand im Dienstzimmer und kickte sich die Schuhe von den Füßen. Noch im Einschlafen spürte sie ein leichtes Flattern in ihrem Bauch. Sie legte kurz eine Hand darauf, wünschte ihrem Baby eine gute Nacht und sackte ins Reich der Träume.
     
    *
     
    »Du kannst heute nichts mehr für ihn tun.« Mit diesen Worten hatte Liz sie gestern nach Hause geschickt. Daran zumindest erinnerte sich Flo genau. Wie sie durch die nachtfinsteren und zum Teil recht glatten Straßen gelangt war, konnte sie nicht mit Sicherheit sagen.
    Die Nacht brachte keine Erholung. Unzählige Male schreckte sie hoch und hatte Marc vor Augen. Marc – gespenstisch blass, der blutete, blutete, blutete.
    Sie linste auf den Wecker. Es war Samstag, fiel ihr ein. Immerhin bestand keine Eile, weil Kevin nicht zur Schule musste. Aber sie brauchte unbedingt Gewissheit, wie es Marc ging. Kurz entschlossen rief sie bei den Tanners an. Es dauerte lange, bis jemand den Hörer abnahm. Die Hausangestellte meldete sich. Flo sah wenig Sinn darin, Josh oder Liz zu wecken und legte nach einer Höflichkeitsfloskel wieder auf.
    Sie richtete das Frühstück in der Küche her. Nachdem Bertha ihr einen guten Morgen gewünscht hatte, konnte sie endlich mit jemanden über ihre Angst um Marc Cumberland reden. »Ich muss wissen, was mit ihm ist.«
    Berthas Blick wanderte zur Küchenuhr. Flo wusste selbst, dass es noch zu früh war, um ins Krankenhaus zu fahren.
    »Du gehörst nicht zur Familie. Wenn du Pech hast, gibt dir niemand Auskunft.«
    »Wenn Elizabeth da ist …«
    »Dann steckt sie bis über beide Ohren in Arbeit.«
    Flo begann, durch die Küche zu tigern.
    Ihr zielloses Herumrennen half herzlich wenig, ihre Unruhe zu bekämpfen. Flo startete einen Streifzug durch das Haus und landete schließlich im Arbeitszimmer des alten Doc Svenson. Die unzähligen Ordner in den Bücherregalen enthielten nicht etwa alte Patientenakten, sondern Aufzeichnungen über

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