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Zivilcourage - Keine Frage

Titel: Zivilcourage - Keine Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Wagner , Constanze Loeffler
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Rentnerin Ruth Schlemm war der Täter männlich, wesentlich jünger und wegen Körperverletzung bereits mehrfach vorbestraft. Natürlich sei ihr klar gewesen, dass ihr der Täter körperlich überlegen ist. Dennoch hat sie eingegriffen. Denn: Zivilcourage ist auch der Widerstand gegen die eigene Angst, gegen die Bequemlichkeit, gegen das Angepasstsein. Wer sich entschließt zu helfen, tut das normalerweise mit Haut und Haar. Die Erfahrung zeigt immer wieder: Zivilcourage light gibt es nicht.
    Kerstin Friedrich ist mit der Straßenbahn auf dem Weg nach Hause. Einige Sitze weiter vorn fallen ihr ein junger Mann und ein kleiner Junge auf. Der Mann versucht immer wieder, sich an das Kind zu drängen. Der Junge blockt die Vertraulichkeiten ab; er siezt den Fremden. Kerstin Friedrich ruft unauffällig die Polizei. Sie steigt gemeinsam mit den beiden aus und folgt den beiden, bis eine Polizeistreife eintrifft. Die Beamten vernehmen den 20 -Jährigen. Er hatte sich bis zu diesem Tag nichts zuschulden kommen lassen. Der junge Mann legt kein Geständnis ab, stimmt aber zu, eine Therapie zu machen. Die Polizei ist sich sicher, dass Kerstin Friedrich durch ihre Aufmerksamkeit eine Straftat verhindert hat.
    Helfermenschen sind häufig Außenseiter – im positiven Sinne. Sie sind eher unabhängig, machen sich nicht so viel aus der Meinung der anderen. Gleichzeitig interessieren sie sich aber für die Menschen. Und weil sie ihr Selbstvertrauen nicht aus dem Bedürfnis ziehen, alle Ansichten mit dem Gros der Gemeinschaft teilen zu müssen, können sie Mehrheiten widerstehen.
    Zusätzlich verfügen viele Helfer über ein sogenanntes inneres Kohärenzgefühl. Der Begriff wurde durch den israelischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky geprägt. Er beschreibt das Ausmaß, in dem ein Mensch das Gefühl des Vertrauens besitzt, dass an ihn gestellte Anforderungen strukturiert und vorhersagbar sind, dass er über Ressourcen verfügt, um den Anforderungen gerecht zu werden und dass diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Anstrengung und Engagement lohnen. 18 Helfer mit Kohärenzgefühl lassen sich also weder von der viel strapazierten Entschuldigung: » Es hat doch sowieso keinen Zweck « , abhalten, noch zweifeln sie daran, dass ihre Hilfe tatsächlich etwas bewirken kann. Anders reagiert der typische Nichthelfer: Er glaubt nicht daran, dass sein Tun etwas verändert.
    Stimmungen und Situationen beeinflussen das Eingreifen
    Doch nicht nur eine entsprechende Erziehung und die individuelle Entwicklung zeichnen den Helfer aus. Es hat sich auch gezeigt, dass eine positive Grundstimmung hilfreiches Verhalten begünstigt. So sind gut gelaunte Kinder eher bereit, ihr Hab und Gut zu teilen, als Kinder in neutraler Stimmung. Interessanterweise kann auch eine negative Stimmung zum Eingreifen führen. Der missgestimmte Eingreifer hilft, damit es ihm selbst besser geht. Durch das Gefühl, etwas Gutes zu tun, hebt er die eigene Stimmung. Schuldgefühle werden abgebaut.
    Für die Schröders in dem Wiesbadener Waschsalon war das selbstverständlich. Ingo Schröder stellte sich als Zeuge zur Verfügung und sagte gegen den Lebensgefährten von Vanessas Mutter aus. Die Richter verurteilten den Mann wegen der Misshandlungen an Vanessa zu acht Jahren Haft. Vielleicht hat Ingo Schröder dem Mädchen das Leben gerettet, zumindest aber ein weiteres Martyrium erspart.
    Frauen sind die besseren Helfer
    Die Kriminalforschung hat festgestellt, dass Frauen häufiger helfend eingreifen als Männer. In Experimenten war es vor allem das weibliche Geschlecht, das bei einer tätlichen Auseinandersetzung dazwischenging oder mit dem Auto an einer Unfallstelle anhielt. Auch die Gruppe der Judenretter, die fremden jüdischen Mitmenschen Unterstützung gewährte, war überwiegend weiblich. Männer sind offenbar seltener für das Leid der anderen empfänglich.
    Gründe dafür gibt es viele: Zum einen sind bei den Frauen die Gehirnbereiche stärker ausgeprägt, die für die Kommunikation zuständig sind. Frauen sind sozial kompetenter, emotionaler und so auch empathischer. Nicht umsonst trifft man in erzieherischen und Pflegeberufen vermehrt Frauen. In Umfragen berichten Patienten, dass sie weibliches Personal als zugewandter erleben. Männliches Verhalten hingegen kann durch die höhere Testosteronkonzentration im Blut von größerer Aggressivität und weniger Rücksichtnahme auf andere geprägt sein.
    Einen Einfluss hat zweifellos auch die traditionelle

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