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Zivilcourage - Keine Frage

Titel: Zivilcourage - Keine Frage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Wagner , Constanze Loeffler
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Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern: Während Mädchen ihre Emotionen zeigen dürfen, werden Jungen darauf trainiert, zu gewinnen und ihre Empfindungen zu unterdrücken. Mädchen dürfen weinen, Jungs sollen sich zusammennehmen. Gefühle und Tränen sind bei ihnen unerwünscht. Sie lernen, den eigenen Schmerz herunterzuschlucken. Die Folgen liegen auf der Hand: Buben nehmen Gefühle – und damit auch das Leid anderer – nicht so wahr wie Mädchen. Entsprechende Rollenmuster konnten sich über Generationen verfestigen: Männer kümmern sich um die Sicherheit, Frauen sorgen für Geborgenheit. Während Frauen sich dem Opfer zuwenden, gehen Männer eher auf den Täter ein.
    Wie reagiert unser Hirn empathisch?
    Das Fundament unseres sozialen Zusammenlebens ist, sich in die Gefühlswelt unseres Gegenübers zu versetzen. Der deutsche Philosoph und Psychologe Theodor Lipps hat das Phänomen zu Beginn des 20 . Jahrhunderts erstmals genauer untersucht. Er führte die sogenannte » Empathie « in die wissenschaftliche Psychologie ein. Der Begriff umfasst die Fähigkeit, eigene Gefühle und die Gefühle der anderen zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Im gesunden zwischenmenschlichen Kontakt fühlen sich Menschen permanent in andere ein: Wenn die Freundin Liebeskummer hat, eine nahestehende Person schwer erkrankt oder jemand ungerecht behandelt wird. Auf welchen organischen Mechanismen dieses Verhalten fußt, diskutieren Neurobiologen seit mehr als 30 Jahren. Wie funktioniert Empathie, was spielt sich in unserem Gehirn bei dieser wichtigen menschlichen Fähigkeit ab? Keine der wissenschaftlichen Theorien ist bisher eindeutig bestätigt oder widerlegt. Eine Hypothese zielt darauf ab, dass wir auf Gefühle und Ansichten eines Mitmenschen nur durch unser Vorwissen und äußere Anhaltspunkte schließen können. Andere Forscher bringen bestimmte Hirnzellen ins Spiel. Die sogenannten Spiegelneuronen reagieren auf das Verhalten unserer Mitmenschen. Diese Nervenzellen sind aktiv, wenn wir uns körperlich betätigen. Ebenso reagieren sie, wenn das auch unser Gegenüber tut. Unser Kopf spiegelt also die Bewegung des anderen: Lächelt sie, tue ich das auch. Streicht sie sich durchs Haar, mache ich dasselbe. Andere Nervenzellen könnten wiederum der Grund für empathische Gefühle sein. Diese Neuronen finden sich in einem kleinen Areal hinter dem rechten Ohr, im Übergangsbereich zwischen Schläfen- und Scheitellappen. Sie haben offenbar nur eine einzige Aufgabe: die Gedanken anderer Menschen zu lesen. Ob Helfer über besonders viele dieser Nervenzellen verfügen, entsprechende Hirnregionen größer sind oder die Zellen schneller erregt werden als bei Menschen, die in Gefahrensituationen nicht eingreifen, ist ungeklärt.
    4.2 | Protokoll des Helfens
    Lieber einmal zu viel nachgefragt
    Im Sommer 2008 geht Irene Durukan zwischen eine Gruppe sich prügelnder junger Leute. Einem Opfer, das bereits am Boden liegt, rettet sie damit möglicherweise das Leben. Einige Zeit später erkennt sie den Haupttäter, die Polizei kann ihn durch ihren Hinweis stellen. Im September 2009 erhält Irene Durukan den » XY-Preis – Gemeinsam gegen das Verbrechen « .
    » Es war ein fürchterliches Wochenende: Mein Sohn lag im Krankenhaus, weil er auf dem Nachhauseweg von einer Party einen Fahrradunfall gehabt hatte. Ich fühlte mich ausgehöhlt und müde nach der ganzen Aufregung: der nächtliche Weg zur Unfallstelle, mein blutender Sohn, der Krankenwagen mit Blaulicht und Martinshorn, die Sorge um ihn. Deshalb lag ich schon früh im Bett, wollte zur Ruhe kommen, ein bisschen lesen.
    Da hörte ich durch das geöffnete Fenster das Getrappel vieler Schritte, einer ganzen Horde von Menschen, dazu aufgeregtes Gemurmel, laute Rufe zwischendurch. Eine Hetzjagd? Ich erinnerte mich an die Vorfälle neulich auf dem Marienplatz. Ich hatte sofort das Gefühl, da passiert etwas ganz Schlimmes. Mein Handy war aus, es hätte zu lange gedauert, es in Gang zu bringen. Ich rannte aus dem Schlafzimmer und rief meinem Lebensgefährten zu, er solle die Polizei rufen.
    Ich bin dann raus, eines der Funktelefone in der Hand. Um mich zu verteidigen? Zur Abschreckung? Ich weiß es nicht mehr, es ging alles so rasend schnell. Dabei trieb mich eine Energie an, die mir bis heute unerklärlich ist. Als ich nach draußen kam, sah ich, wie ein Pulk junger Männer auf einen Menschen eintrat, der schon am Boden lag. Ich schrie und schrie: ›Aufhören! Die Polizei kommt! So

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