Zivilcourage - Keine Frage
geklaut hat. In dem wöchentlichen Programm lernen alle Kinder der Schule, wie es sich anfühlt, wenn man keine Freunde hat, ausgetrickst wird oder zornig ist. Vor allem aber erfahren sie, was man konkret dagegen machen kann: Erst einmal Luft holen, langsam rückwärts zählen, an etwas Schönes denken.
In Rollenspielen setzen die Sprösslinge das Gelernte um. » Anders als in Mathe oder Deutsch sind die Kinder hier mit ihrer Person und ihren Emotionen gefordert « , sagt die Erzieherin Anja P. » Sie verlieren die Scheu, über Gefühle zu sprechen und entwickeln neue Lösungen für Konflikte, bei denen sie bisher vielleicht zugeschlagen hätten. «
Strategien gegen Zorn und Wut
Das Programm » Faustlos « läuft erfolgreich an insgesamt 3500 bundesweiten Kindergärten und Grundschulen. Angelehnt an das amerikanische Projekt » Second Step « lernen schon Kindergartenkinder spielerisch, sich in andere einzufühlen und diese zu verstehen. Die Erzieher vermitteln ihnen Strategien, die eigenen Impulse zu kontrollieren sowie Wut und Ärger gewaltlos auszuleben. » Schon nach ein paar Monaten verfügen die Kinder über mehr soziale Kompetenzen « , sagt Manfred Cierpka, Professor der Universität Heidelberg. » Aggressives Verhalten lehnen sie zunehmend ab. « Cierpka hat das Projekt entwickelt und über acht Jahre wissenschaftlich evaluiert.
Für jeden Schritt im Leben gäbe es mittlerweile ein Spezialtraining, ein Programm oder einen Coach, monieren Kritiker. Selbstbewusstsein, Toleranz, Hilfsbereitschaft und Mitgefühl, die im Zentrum von Trainings wie » Papilio « , » Fairplayer « oder » aufgschaut « stehen, seien doch Werte, die eigentlich im Elternhaus vermittelt werden sollten. Doch wer genauer hinschaut, sieht, wie dringend nötig diese Programme sind: Etwa 15 Prozent aller 3 - bis 13 -Jährigen sind nur schwer in der Lage, ihre Gefühle zu zügeln, ermittelte das Robert-Koch-Institut. Die Kinder schlagen, treten und verhalten sich wie kleine Rambos.
Zwar wachsen die meisten Kinder in einem Gefüge auf, das sich Familie nennt. 25 Sie ist der entscheidende Rahmen für die kognitive, emotionale, sprachliche und persönliche Entwicklung. Doch Rollenbilder und gesellschaftliche Anforderungen haben sich geändert. Viele Eltern kämpfen täglich: gegen Armut, Arbeitslosigkeit und Existenzängste oder mit der Sucht nach beruflicher Anerkennung, Selbstverwirklichung und Karriere. Für die Kinder bleibt immer weniger Zeit.
» Ich wollte kein Zuschauer mehr sein. « An dieses Zitat von Martin Luther King knüpft das Projekt » Alltagshelden « an. Die Initiatoren veranstalten für Schüler- und Jugendgruppen Seminare rund um das Thema Zivilcourage. In den eintägigen Seminaren kommen Themen wie Streitkultur, Konfliktfähigkeit, Mobbing, Diskriminierung sowie gewaltfreie Handlungsmöglichkeiten zur Sprache. Mit dem Training möchten die Veranstalter den Teilnehmern Mut machen, sich für Toleranz einzusetzen und Zivilcourage zu zeigen.
Die richtigen Weichen stellen
Wie bringen wir unsere Kinder dennoch dazu, sich zu fragen: » Wer, wenn nicht ich? «, anstatt: » Warum gerade ich? «
Wer Kinder ein Gefühl für das Miteinander mitgeben will, muss selbst zivilcouragiert handeln. Sich sichtbar und aktiv für humane und demokratische Werte einsetzen, für die Interessen anderer Menschen eintreten, tagtäglich. » Zivilcourage ist ein Lebensprinzip « , so der Psychoanalytiker Kurt Singer.
Jeder kann etwas tun
Fragt man Kinder, was sie sich unter Zivilcourage vorstellen, hört sich der sperrige Begriff schon deutlich klarer an. » Zivilcourage ist, so zu sein wie Superman und Batman, aber ohne Geld zu verlangen « , sagt ein Fünftklässler. » Zu deiner sozialen Seite neigen, dem Schwachen deine Hilfe geben, hilfsbereit durchs Leben gehen und anderen Mut machen « , so eine andere Mitschülerin.
Jeden Dienstag in der ersten Stunde tagt der Klassenrat. Probleme in der Klasse, die sich über die Woche angestaut haben, kommen dann auf den Tisch. Gemeinsam beschließt das Schülergremium, welche Strafen verhängt werden müssen. Die von den Mitschülern gewählten Räte tagen allein; Hilfe können sie aber jederzeit von den Lehrern bekommen.
Aufeinander achten. Füreinander da sein. Miteinander lernen. Unter diesem Motto können sich Schüler und Schülerinnen außerdem zum sogenannten Buddy ausbilden lassen, abgeleitet vom englischen » buddy « für » Kumpel « . Mit dem Ziel, den Kindern mehr Verantwortung zu
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