Zivilcourage - Keine Frage
beiden lediglich so tun, also bloß spielen.
Wer sozial mutig handelt, tut dies nicht unbedingt aus rationalen Gründen, sondern weil er davon überzeugt ist, in diesem Moment das Richtige zu tun. Beispiel: Bekommt Ihr pubertierender Sohn zum Beispiel mit, dass in seinem Schülernetzwerk ein Mitschüler von anderen Jugendlichen mit peinlichen Videos bloßgestellt wird, meldet er das umgehend dem Netzwerk. Das bedeutet noch nicht, dass die Hetzjagd im Netz ein Ende nimmt. Ihr Sohn aber hat getan, was er in dem Moment tun musste.
Für viele zivilcouragierte Menschen spielen Tugenden wie Hilfsbereitschaft, Fürsorge, Wahrhaftigkeit oder Unabhängigkeit eine große Rolle. Andere haben ihre Kindheit als eine Zeit voller Geborgenheit, Liebe und Zuwendung erlebt. Wieder andere erinnern sich daran, dass zu Hause lebhaft politisch diskutiert wurde. » Sie wurden ermutigt, eigenständig zu handeln, etwas auszuprobieren und dabei Fehler zu machen « , schreibt Singer in seinem Klassiker » Zivilcourage wagen « . » Die Kinder erfuhren: Ich werde gehört, ich werde ernst genommen. « Nur wer diese Erfahrungen macht, bildet sich eine eigene Meinung. Nur mit einer eigenen Meinung kann man sich abgrenzen, auch mal Nein sagen, zivilcouragiert auftreten.
Meinungsbildung statt Befehlskultur
Wie wichtig es ist, dass die Eltern ihren Kindern nicht stumpf befehlen, sondern sich mit ihnen auseinandersetzen und sie zu ehrlichen Gesprächen einladen, beschreibt auch der deutsche Philosoph Karl Jaspers.
»Mein Vater, unbewusst für uns, unbeabsichtigt von ihm, war uns ein Vorbild. Ohne Kirche, ohne Bezugnahme auf eine objektive Autorität, galt als das Böseste die Unwahrhaftigkeit. Und fast ebenso schlimm: blinder Gehorsam. Beides durfte es nicht geben! Daher war unser Vater unendlich geduldig gegenüber meinem Widerstand. Wenn ich widersprach, kam nicht der Befehl, sondern die Begründung, warum das vernünftig sei. « 26
Aufmerksamkeit von Anfang an
» Jetzt hör endlich auf damit! « Haben Sie Kinder? Dann kennen Sie diesen Spruch. Viel zu häufig reden wir mit unseren Kindern nur dann, wenn wir etwas nicht wollen: Wenn sie nicht beim Telefonieren stören, wenn sie nicht mit den Fingern auf die Scheibe fassen, wenn sie nicht kippeln sollen. » Wenn wir uns dem Kind nur dann zuwenden, wenn es etwas Negatives tut, wird es das immer wieder tun « , sagt der Universitätsprofessor für Entwicklungspsychologie und Klinische Psychologie Herbert Scheithauer aus Berlin. » Denn es lernt, dass wir ihm nur Aufmerksamkeit schenken, wenn es sich danebenbenimmt. « Zukünftig wird sich das Kind also immer wieder über sein negatives Verhalten bemerkbar machen.
Expertentipp:
Sprechen Sie Ihr Kind vor allem dann an, wenn es etwas geschafft hat. Dadurch verstärken Sie sein Verhalten positiv. Die Wissenschaft spricht hier vom » positive parenting « . Seien Sie möglichst jederzeit für Ihr Kind emotional erreichbar, aber bitte authentisch. Das heißt: Sie brauchen Ihre Sprösslinge nicht permanent loben, denn dadurch werden Sie unglaubwürdig. Berechtigte Kritik ist durchaus erwünscht. Damit Ihr Kind eine innere Stärke entwickeln kann, braucht es Ihre klare Haltung: Positives Verhalten ist willkommen, negatives ignorieren Sie bis zu einem gewissen Maß und bestrafen es nicht übertrieben. So weiß Ihr Kind, woran es ist. Es kann sich selbst wertschätzen lernen, sich an Ihnen orientieren und eine eigene Meinung bilden.
Vor allem kleine Kinder müssen sich darauf verlassen können, dass Sie in jeder Situation für sie da sind, egal ob sie sich freuen oder traurig sind, ob sie lachen oder weinen. Können Eltern das traurige Verhalten ihrer Kinder nicht aushalten und weisen es in solchen Momenten zurück mit Worten wie: » Das ist doch nicht so schlimm « , merken sich die Kleinen das und unterdrücken diese Art von Gefühlen zukünftig. Kann sich dagegen Ihr Kind in allen Lebenslagen auf Sie verlassen, dann wird es sich zu einem vertrauensvollen und selbstsicheren Menschen entwickeln.
Expertentipp:
Typisches Beispiel und häufig Anlass für den ersten Zoff in Sachen Erziehung: Wenn Ihr Baby schreit, nehmen Sie es nach wenigen Minuten hoch. Auch auf die Gefahr hin, dass Ihre Schwiegermutter Sie dann ermahnt, das Kind nicht gleich von Beginn an zu verwöhnen – setzen Sie sich gegen sie durch, denn Ihre Fürsorge hat nichts mit Verwöhnen zu tun. Säuglinge sind noch nicht dazu in der Lage, ihre Gefühle selbst zu regulieren. Sie sind also
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