Zivilcourage - Keine Frage
eine private und völlig harmlose Situation? Die meisten Zuschauer werden zurückhaltend reagieren. Doch wenn die Frau plötzlich stehen bleibt und den Mann anschreit, dass er sie endlich in Ruhe lassen möge, sendet sie durch ihre lautstarke Abwehr klare Signale. Erst jetzt wird klar, dass die Frau belästigt wird. » In Deutschland widersprechen lautes Schreien oder das Eindringen in die Privatsphäre den gesellschaftlichen Normen « , sagt Kai J. Jonas, Experte für Zivilcourage von der Sociale Psychologie Universiteit van Amsterdam. » Das hält viele davon ab, einzugreifen. Sie haben Angst, gesellschaftliche Regeln zu brechen und aufzufallen. «
Laut die eigenen Grenzen klarmachen, um Hilfe rufen und andere auf eine Situation aufmerksam machen – unsere Stimme ist die wichtigste natürliche Waffe, über die wir in einer Notlage verfügen. Damit Ihnen die Worte auch in einem überraschenden oder gefährlichen Moment nicht im Hals stecken bleiben, können Sie Ihre Stimme im Präventionskurs oder zu Hause trainieren.
Für eine feste Stimme brauchen Sie Bodenhaftung. Stellen Sie sich fest mit beiden Beinen auf den Boden. Der Abstand zwischen den Beinen sollte etwa hüftbreit sein. Sorgen Sie dafür, dass Sie gerade und dennoch bequem stehen. Drücken Sie die Knie nicht ganz durch. Bereiten Sie sich auf die Sprechübung vor, indem Sie sich eine laute Stimme denken. Rufen Sie nun: » Feuer! « , oder: » Hilfe! Helfen Sie mir, hier braucht jemand unsere Hilfe! Bleiben Sie stehen! Fassen Sie mich nicht an! Stopp! Halt! Kommen Sie mir nicht zu nahe! « Am besten üben Sie das vor dem Spiegel. Schauen Sie sich dabei in die Augen, wie Sie es bei einem Täter oder auf der Suche nach einem Helfer tun würden. Je routinierter Sie sind, desto kraftvoller werden Sie auch in einer überraschenden, angespannten Situation sprechen können.
Gegenwehr: Training erforderlich!
Ein Zivilcourage-Training und klassische Selbstverteidigungstechniken sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Ein mehrtägiger Zivilcourage-Kurs kann Ihnen Handlungsideen für verschiedene Situationen an die Hand geben. Um jedoch Techniken wie Aikido, Judo, Jiu-Jitsu oder Wendo wirklich zu beherrschen, müssen Sie jahrelang trainieren. Die waffenlosen Kampfsportarten haben eine gemeinsame Leitidee: Die aggressive Kraft des Angreifers umzulenken, durch die eigene Energie verstärkt auf den Täter zurückzuführen und ihn so zu überwältigen. Durch effektive Technik, Reaktionsschnelligkeit und Konzentration gelingt es, gefährliche Konflikte gewaltfrei zu lösen. Das Wissen um diese Fähigkeiten kann das persönliche Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein stärken.
Dennoch sollten Sie Ihre Fähigkeiten nicht in falscher Sicherheit wiegen: Heutzutage eskalieren Gewaltsituationen oft, weil die Angreifer beispielsweise ein Messer verwenden oder zu mehreren unterwegs sind. Der 19 -jährige Mel D. in Hamburg oder der Nigerianer Emeka Okoronkwo in Frankfurt – beide kamen im Mai 2010 durch ein Messer zu Tode. Selbst wenn beide jahrelang Kampfsport trainiert hätten – an ihrem Schicksal hätte das kaum etwas geändert. In beiden Fällen handelten die Täter überraschend. Und auch gegen eine Horde alkoholisierter Jugendlicher werden Sie wenig ausrichten können. Gehen Sie deshalb solchen Situationen besser aus dem Weg.
8.2 | Selbstverteidigung – der richtige Kurs
Eines vorweg: Es gibt nicht den richtigen Kurs, ebenso wenig wie es die richtige Strategie für eine Gewaltsituation gibt. Dennoch können Sie bei der Wahl des Kurses auf ein paar Dinge achten. Fragen Sie sich als ersten Schritt, warum Sie den Kurs machen und was für Sie dabei herauskommen soll:
• Möchten Sie Handgriffe und Aktionen erlernen, um sich selbst zu verteidigen?
• Geht es Ihnen darum, in entsprechenden Situationen kühl und überlegt zu handeln?
• Sind Sie sich unsicher, wie Sie am besten mit (potenziellen) Angreifern kommunizieren?
• Oder wollen Sie sich vor allem mental stärken, Ihre Angst überwinden und mutig eintreten?
Erst wenn Sie wissen, was Sie selbst für Erwartungen haben, werden Sie sich durch den Dschungel der verschiedenen Kursangebote kämpfen können. Denn die Namen der Kurse sind so vielfältig wie die Inhalte: Vom Selbstbehauptungstraining, Selbststärkungstraining, Antigefährdungstraining, Antigewalttraining, Gewaltpräventionstraining bis hin zu Zivilcouragetraining ist alles dabei.
Reine Selbstverteidigungstrainings sind ungeeignet, um sich auf
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