Zodiac - Auf der Spur eines Serienkillers
Mensch erscheinen würde. Er war bestimmt ein Einzelgänger, der nur wenig Kontakt zu seinen Mitmenschen hatte. Dafür hatte er sich wohl umso tiefer in eine Traumwelt versenkt, in der seine dunklen Fantasien herrschten.
In einem geheimen Gutachten über den Mörder von Cheri Jo Bates, das der Chefpsychologe des Patton State Hospital im Juli 1967 für den Bezirksstaatsanwalt von Riverside schrieb, wurde der Mörder folgendermaßen beschrieben: Er ist »so überempfindlich (…) dass er jede Kleinigkeit als etwas Gravierendes auffassen kann, das keinerlei Bezug mehr zur Realität hat. Er ist besessen von einem abgrundtiefen Hass gegen Frauen - und das umso mehr, je attraktiver ihm eine junge Frau erscheint. Aufgrund seiner unbewussten Minderwertigkeitsgefühle wird er seine Gefühle und Bedürfnisse kaum jemals in Form einer sexuellen Beziehung ausleben, sondern nur in seiner Fantasie stattfinden lassen, die dann auch in einen gewalttätigen Akt münden kann, wie der Mord an Cheri Jo Bates zeigt.«
Der Bericht endet mit der Warnung: »Ich möchte in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass durchaus die Möglichkeit besteht, dass er weitere Morde begeht.«
Freitag, 29. Februar 1980
Ich saß einem der führenden Experten in Sachen Massenmord, Dr. Donald T. Lunde, gegenüber, seines Zeichens Professor für Psychiatrie und Dozent für Rechtswissenschaften an der Stanford University. Der jugendlich aussehende blonde Doktor untersuchte im Zusammenhang mit dem Prozess um den »Hillside Strangler« gerade Kenneth Bianchi, der insgesamt fünf Morde gestand. Wir trafen uns in Lundes geschmackvoll eingerichtetem Büro im ersten Stock der juristischen Fakultät von Stanford.
»Dr. Lunde«, begann ich, »Sie sprechen von zwei grundsätzlichen Typen von Serienmördern - dem Sexualsadisten und dem häufiger auftretenden paranoiden Schizophrenen.« An dieser Stelle sei erklärend hinzugefügt, dass ein paranoider Schizophrener von äußeren Faktoren angetrieben wird, zum Beispiel von Stimmen, die ihm sagen, was er tun soll. Wenn solche Personen Frauen töten, liegt das an einer verwirrten sexuellen Identität. Weitere Charakteristika sind ein wirres Denken, Halluzinationen, Verfolgungswahn und Größenwahn. Umwelteinflüsse und Vererbung spielen bei der Entwicklung einer solchen Persönlichkeitsstruktur ebenso eine Rolle wie Drogen, beispielsweise LSD oder PCP. Mit Mitte dreißig kann die ständige innere Wut, die den paranoiden Schizophrenen beherrscht, verrauchen oder allmählich abklingen.
»Nachdem Sie nun Kopien von allen Zodiac-Briefen gesehen haben - würden Sie Zodiac als Sexualsadisten einschätzen?«, fragte ich den Experten.
»Das ist aus meiner Sicht wohl die wahrscheinlichste Variante«, antwortete Lunde. »Im Gegensatz zum paranoiden Schizophrenen leidet der sadistische soziopathische Mörder nicht an Halluzinationen. Er sucht seine Opfer nach dem Kriterium aus, dass sie ihm das Ausleben seiner sadistischen Triebe ermöglichen. Sexuelle Befriedigung erlangt dieser Täter beispielsweise dadurch, dass er bestimmte Körperteile des Opfers verstümmelt.
Ich habe den Eindruck gewonnen, dass es heute mehr von diesen Leuten gibt als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Als ich mich mit [Edmund Emil] Kemper beschäftigte« (der acht Frauen in Santa Cruz ermordet hatte, zuletzt auch noch seine Mutter), »da sah ich die Literatur durch und fand nur wenige solcher Fälle, ungefähr einen in jedem Jahrzehnt. Ich hielt das deshalb für ein recht seltenes Phänomen und glaubte, nicht noch einmal mit einem derartigen Menschen zu tun zu haben.
Aber allein im vergangenen Jahr habe ich mehrere solcher Fälle gesehen, und es ist verblüffend, wie viele Gemeinsamkeiten sie zeigen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts sind bis vor kurzem offenbar nur wenige sadistische Täter registriert worden. Aber allein in den Siebzigerjahren tauchten plötzlich jede Menge auf!
Nachdem ich jetzt einige dieser Fälle persönlich studieren konnte, habe ich große Ähnlichkeiten festgestellt. Bianchi hat bei psychologischen Tests fast wortwörtlich die gleichen Antworten gegeben wie Kemper. Immer wieder geht es um den Anblick von zerfleischten Tieren, von Blut und Tierherzen und so weiter.«
Das psychologische Profil eines Sexualsadisten - und damit aller Wahrscheinlichkeit nach des Zodiac-Killers - würde sich in etwa so lesen:
Er ist immer männlich, meist unter fünfunddreißig, intelligent, unauffällig und kräftig. Er hat einen passiven,
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