Zodius 01 - Ein Sturm zieht auf
normalen Umständen hatte er diese Gewalt ebenso mühelos im Griff wie seine Atmung.
Heute jedoch nicht. Nicht an dem Tag, an dem Cassandra durch ihn hindurch auf die Killermaschine blicken würde. Sein Körper pulsierte von einer leise summenden, unkontrollierbaren Kraft. In seinem Kopf herrschte ein Chaos aus Erinnerungen an Zodius und den Dingen, die Cassandra darüber erfahren könnte.
Als sich Kelly in Bewegung setzte und ihn zum Behandlungsraum winkte, ergriff ihn jähe Furcht. Herrgott. Wollte er wirklich wissen, was sie zu sagen hatte?
Wie einer von Adams verfluchten Wölfen trottete er ihr wie ein devoter Welpe in ein Zimmer von der Größe einer Keksschachtel nach. Mit vor der Brust verschränkten Armen blieb er kerzengerade stehen und erwartete die Hiobsbotschaft.
»Setz dich«, sagte Kelly, rollte mit ihrem Stuhl herum und zeigte auf eine Untersuchungsliege.
Mit einer hochgezogenen Augenbraue bedeutete er ihr, dass sie den Verstand verloren haben musste, wenn sie dachte, er würde auf dieses Ding steigen. Er hatte sich gerade so zu diesem Termin überwinden können und das auch nur Cassandra zuliebe. Dass er nicht normal war, war nichts Neues für ihn. Um das bestätigt zu bekommen, brauchte er keine Analyse aus dem Reagenzglas.
Kelly spitzte die Lippen. »Ich hätte mir ja denken können, dass ich mein Glück überstrapaziere.« Sie gestikulierte vage mit einem Stift zur Tür. »Vielleicht willst du die lieber schließen.«
Er erkannte, dass der Moment gekommen war – sie würde ihm endgültig bestätigen, was er bereits wusste: dass er anders war als die anderen GTECHs. Er brauchte einen Augenblick, um sich zu sammeln, dann streckte er den Arm aus und knallte die Tür zu. Mit ungerührter Du-kannst-mir-nichts-vormachen-Miene kehrte er zur vorigen Pose zurück.
Kelly taxierte ihn mit einem viel zu wissenden Blick, der besagte, dass sie ihm nichts vormachen wollte. »Vermutlich ist es dir lieber, wenn ich gleich zum Punkt komme. Also, packen wir’s an.« Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort. »Du hast immer noch das X2-Gen. Darüber hinaus besitzt du ein zusätzliches Chromosom, das die anderen GTECHs nicht haben. Zumindest keiner der GTECHs, die wir bisher untersuchen konnten.«
Sie ahnte, welche Frage ihm auf den Nägeln brannte, und bevor er sich vom ersten Schreck erholten konnte, fügte sie hinzu: »Um sagen zu können, was das genau bedeutet, brauchen wir Zeit und weitere Analysen. Ich denke jedoch, dass das Chromosom dafür verantwortlich ist, dass du den Wind kontrollieren kannst. Falls es zwischen dir und den anderen GTECHs noch weitere Abweichungen gibt, wäre es hilfreich, wenn du mir diese nennst. Ich kann …«
Michael schloss die Augen und blendete Kellys Stimme aus, während sich sein Verstand in einem tosenden Wirbelsturm drehte. Ein weißes Rauschen hallte in seinen Ohren wider, tobte in seinem Kopf und fuhr vibrierend durch seinen Körper. Mein Gott, was zur Hölle war er überhaupt? Er löste sich aus dem Rauschen und konzentrierte sich wieder auf Kelly. »… ein MRT und eine Reihe von diagnostischen …«
Michael riss die Augen auf und stieß den einzigen zusammenhängenden Gedanken hervor, den er in Worte fassen konnte. »Was heißt das für Cassandra?«
Kelly stieß schwer den Atem aus. »Sie ist noch nicht zum GTECH geworden. Sie hat die gleichen Zellabweichungen wie die anderen Frauen, die das Symbol tragen, allerdings sind Cassandras ausgeprägter. Andererseits hat noch niemand zwei Jahre mit dem Symbol gelebt, ohne den Bindungsprozess abzuschließen.« Sie steckte sich den Stift hinters Ohr. »Wie man es auch dreht und wendet, wir bewegen uns auf unbekanntem Terrain.«
Herrgott. Er hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. »Was ist mit ihrer zweiten Blutprobe? Ist aus ihr ersichtlich, ob die Veränderungen fortschreiten?«
Kelly spannte die Lippen an. »Ja.«
Schuldgefühle wälzten sich durch seine Knochen. »Nachdem wir Sex hatten«, stellte er fest. Obwohl er gewusst hatte, dass Cassandra auf die körperliche Vereinigung reagierte, hatte er sie nicht in Ruhe gelassen.
»Ohne weitere Tests kann ich nichts Genaues sagen, aber ja. Offenbar bringt euch jeder intime Kontakt der vollständigen Bindung näher.« Sie beugte sich mit leuchtenden Augen nach vorn und stützte einen Ellbogen aufs Knie. »Das Faszinierende daran ist, dass das zusätzliche Chromosom noch nicht existiert hat, als wir dein Blut in Groom Lake untersucht haben. Möglicherweise löst das
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